Games und Kunst: Teil der ComputerArt

„Sind Games Kunst?“ Darauf gibt es verdächtig viele positive Antworten im „Mainstream“ im Moment. Dabei ist die Frage so allgemein und undifferenziert, dass es eher ein JaNein sein müsste, mit der Anschlussfrage: „Welche Spiele sind denn Kunst? Und noch klarer: Was ist Kunst im Bereich Games?“ Um eine Differenzierung drücken sich dann gerade die vehementesten Befürworter herum, natürlich mit gutem Grund: Sobald man im einzelnen die „kulturellen“ Spiele anschaut, geht es um Kriterien und noch heikler die Frage: „Für wen gelten sie? Wer akzeptiert sie? Und was ist bei einem Spiel Kunst? Kann man es auseinanderdividieren? Story? Grafik? Sound? Gamemechanik? Programmierung? oder gilt nicht vielmehr: Games sind als Systeme zu betrachten
Die Perspektive der Computerart auf die Kunstfrage der Games
Eine Kunstform, die sich schon seit Jahren mit der Frage von „Kunst mit Computern?“ auseinandersetzt , ist die ComputerArt. Macht man einen Schritt zurück, so gehören die Games (falls Games als Kunst und nicht nur als Kultur gelten sollen) zur ComputerArt. Als Grundlage für einige polemische Überlegungen zu den neu ernannten Mainstream „Kunstgames“ wie „La Noir“, „Mafia“, „Heavy Rain“ oder (indier) „Flow“, „Little Big“, „Minecraft“ dienen hier die Thesen von Brian Reffen Smith: „43 Dodgy Statements on Computer Art„.

A. Games und seine Aspekte
Aa. Story
„18. Just as everyone has a novel inside them, many believe they have an artwork. The purpose of a good art school is to seek out these people and stop them.“
Viele Stories sind leider noch nicht allzu ausgeklügelt oder gar interaktiv bei Games. Stories von Spielen mussten meist auch nicht besonders clever sein, da der Schwerpunkt eher beim Regelwerk und der Spielmechanik lag (Mehr ludologisch als narratologisch). Potential zur Entwicklung eigener Formen ist hier zweifelsohne vorhanden.
„22. The best interactive art always makes you look at the participants.“
Mehr dazu gibt es in den Postings rund um diesen Artikel auf Gamelab.ch: Story Telling – dein eigenes Abenteuer >
Ab. Die Frage des Displays: Grafik-Display, Sound-Display
Die meisten Seligsprechungen der Games laufen im Moment über das Grafikdisplay . Zum einen wird die Technologie gewürdigt: „Ein neuer Meilenstein mit Shadern xyz“
„4. Using state-of-the-art technology merely produces state-of-the-technology art.“
zum anderen gilt gerade jede Abstraktion von diesem Hyperrealismus als „Kunst“ (inklusive „neo-abstrakte“ Retrografiken – wo sind die Weiterentwicklungen bei den Retrografiken?).
„2. Constraint is liberty; reduce to the maximum.“
„27. Beware of computer art as farce repeating itself as history.“
Beim Grafikdisplay ist jeder Experte: Sei es als Nutzer oder als Grafiker. Der Iconic-Turn hat sich inzwischen so in die Kultur eingegraben, dass alles visuell zu sein scheint und die Folge: Games werden nur noch auf dieser Ebene beurteilt. Die meisten Auswahlen für Spiele bei Awards laufen all zu oft über das Visuelle. Dabei ist klar:
„24. Art is not craft.“
„20. Many people think that graphic design is art. Art is undertaken for art-like reasons, graphic design for graphic design-like reasons. There may of course be overlap. There should never be confusion.“
„39. We do not admire Picasso’s Guernica or Goya’s The Third of May 1808 solely because of the techniques used, yet we are often invited to admire computer art for just that reason. Art that is deliberately content-free is one thing. Art that is accidentally, lumpenly content-free is another.“
Aber es ist eben einfach Grafik zu bewerten, hier gibt es eine kulturelle Tradition. Noch weitgehend „undiskutiert“ ist dabei, dass interaktive Grafiken (wie es Games sind), nach anderen Gesetzmässigkeiten funktionieren und ganz andere Anforderungen haben als Druckprodukte. Für die Diskussion in der Öffentlichkeit warten wir mal noch – 5, 10 oder gar 20 Jahre?
Ac. Gamemechanik (Regeln)
Richtig problematisch wird die Gretchenfrage „Kunst“ bei den Gamemechaniken bei Mainstreamgames. Welche Gameplays sind Kunst? Was sind nicht schon hundertfach verwendet erprobte Mechaniken? Welche Mechaniken machen etwas anderes? Welche Games versuchen andere Wege zu gehen? Reicht ein einfaches „Spiel“ wie Tiny Wings schon? Ist es ein „Spiel“ wie Flow oder LineRider? Der Mainstream antwortet hier meist mit kleinen „Erfindungen“. Oft werden kleinste Unterschiede als Grossartigkeiten (für die Differenzierung in der PR) verkauft und werden marginal im Leveldesign eingesetzt (sind also nicht Teil der Hauptgamemechanik).

B. Games als eigene Spielysteme aus Story, Grafik und Gamemechanik

„35. Art is visual philosophy. But computer art is not visual computer philosophy.“
Spiele in ihre Aspekte wie Story, Grafik und Gamemechanik zu zerteilen und dann zu beurteilen, ist eine klassische Kulturtechnik in einer ausdifferenzierten Gesellschaft.
Der Vorteil: Man kann die Effekte wie Story, Grafik an die bestehenden Erklärungs-, Kritik- und Verwertungskanäle anschliessen. Es gibt schon Personen, die sich mit Stories (Writer, Buchkritiker, Filmkritiker, Germanisten) oder mit Grafik (Grafiker, Design-Hochschulen) auskennen.
Der Nachteil: man wird dem Phänomen eines spezifischen Spiels nicht gerecht, denn das Phänomen Game ist ein komplexes System aus gerade diesen verschiedenen bekannten Aspekten mit der Triebkraft Gamemechanik.
Games sind in diesem Sinne sehr komplex in ihrer Erstellung und Konstruktion, damit sie einfach in ihrem Gebrauch (Spiel) sind. Dieser Vorteil des Spiels „Einfach sein zu können, inhaltlich (Story, Spielmechanik) wie an seiner Oberfläche (Grafik, Bedienung).“ ist gleichzeitig ihr grösster Nachteil.
C. Die Kunst der Games und die Gesellschaft
Wie sieht es nun mit der Frage der Mainstreamspiele in der Gesellschaft als Kunstform aus? Werden sie da als Kunstform wahrgenommen? Sind sie etwa kritisch oder zeigen sie eine neue Art des Sehens?

„26. Seen in the light of Guy Debord’s “The Society of the Spectacle”, computer art is very spectacular indeed.“

Hier hat es das Spiel naturgemäss sehr schwer, wahrgenommen zu werden. Denn was für die ComputerArt gilt, gilt für die Mainstream und die meisten Indie-Games erst recht: Die Spiele sind in den allermeisten Fällen Spektakel für den Spieler und mit ihm die Gesellschaft.  Sie unterhalten, machen Spass und dafür werden sie gekauft und konsumiert. Die Kunst dabei ist, dass es auf einem ganz anderen Niveau passiert als in den Medien wie Film oder Fernsehen: Hier erleben die Spieler am eigenen Leibe, es wird experimentiert und der Spieler vollführt die Gamemechanik das Spiel. Aber jenseits diese Raumes geschieht (fast wie im Museum) nichts.
„35. Art is visual philosophy. But computer art is not visual computer philosophy.“
Es erstaunt deswegen nicht, dass der  deutsche Medientheoretiker P.M.Ong, sogar noch weiter geht und die aktuellen Spiele in die Ecke „Philosophie“ und „Modelle“ stellt. Für ihn sind Games die modernsten Philosophien bzw. Modelle der heutigen Welt. Sie seien kleine vereinfachte Philosophien der Welt, wo komprimiert die Welt erlebbar wird  (Wir spielen etwa Konkurrenz in weltweiten Egoshootern – jeder für sich alle gegen alle oder in kleinen Teams.). In diesem Sinn könnte man sie – folgt man Ong – schon fast als Kunst bezeichnend, wären sie nicht auch Promotern dieser marktwirtschaftlichen Kultur. (Mehr zum Thema: Sind Games Kunst ? >)
Alle Orginalzitate in ihrer Orginalreihenfolge:
http://www.interactivearchitecture.org/43-dodgy-statements-on-computer-art.html

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1 Antwort zu Games und Kunst: Teil der ComputerArt

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