Warum FirstPersonShooter alias Killerspiele Spass machen (eine Erklärung auch für Nicht-Spieler)

Für viele Nicht-Spieler ist die Faszination vieler „Gamer“ für „FirstPersonShooter“, die nur 10-15% des elektronischen Spielemarktes ausmachen, irritierend bis unverständlich. (Vergleiche dazu die Home 2.0 Ausstellung in Lenzburg [http://home.stapferhaus.ch/de/]). Und gerade deswegen lohnt sich ein Blick hinter die Kulissen auf den Kern dieser Spiele: Warum spielt man sie? Was macht Spass? Wie wird man motiviert? Dabei hilft immer wieder auch ein Blick auf andere breiter akzeptierte Spiele wie etwa Volleyball, Monopoly oder Tetris.
Motivation: Zeitdruck

Wer Volleyball, Monopoly oder Tetris je gespielt hat, erkennt schnell: hier wird nicht wegen der Grafik das Spiel gespielt, sondern weil es Spass macht und man herausgefordert ist. Dabei besteht die Motivation oft darin, eine Aufgabe unter (Zeit-)Druck lösen zu müssen: Beim Volleyballspiel ist man beispielsweise gezwungen den Ball (im besten Fall als Team) übers Netz so strategisch wie möglich zurückzuspielen. Bei Tetris (in Ermangelung eines menschlichen Gegners) muss man Steine so ordnen, dass immer ganze Linien entstehen, die sich dann auflösen. Diese stetig wiederkehrende  Kleinstaufgabe ist Teil des grösseren Spielziels: Die Spielfläche darf bis oben hin nicht mit Steinen gefüllt werden. Es heisst also: Ordnung halten.

Spass entsteht in der Spielmechanik
Dabei ist klar, die Regeln bestimmen das Spiel und umgekehrt gelten die Regeln auch nur für das Spiel (Magic Circle). Natürlich hilft dabei eine ansprechende Grafik, aber Spass macht meist das Set von Regeln (Spielmechanik), das den Spieler bei der Stange hält und ihn während des Spiels stetig herausfordert. Die Langzeitmovtivation wird dabei über schwierigere Spielstufen  mehr Steine, schnellere Abfolge bei Tetris (Levels) oder immer andere Aufgaben sichergestellt.
Immer beschossen, immer mit dem Rücken zur Wand

Diese sogenannte Spielmechanik ist bei FirstPersonShootern ähnlich wie bei Tetris.  Der Spieler wird praktisch pausenlos auf Trab gehalten, indem er unter Druck gesetzt wird: Der Spieler wird bedroht, gejagt und beschossen, sei es von Mitspielern (Multiplayer) oder von digital gesteuerten Computergegnern sogenannten NPCs . Der Spieler muss also dauernd handeln, will er nicht aus dem Spiel geworfen werden. Die Beschäftigung  im Spiel ist dabei so stark, dass die Aussenwelt in den Hintergrund tritt oder ganz ausgeblendet wird. Konkret muss ein Egoshooterspieler im „Tagesgeschäft“ meist die Spielgegener auszuschalten, bevor sie ihn ausschalten. Ob es sich bei diesen Gegner um ein pixeliges Raumschiff (wie bei SpaceInvaders), ein Smilie (wie bei MidiMaze – einem der ersten Egoshooterspiele) oder  um einen Soldat handelt, ist im ersten Moment nebensächlich. Letztlich bewertet das Spiel sie nicht anhand der gespielten Grafik, sondern der gelösten Ingame-Aufgaben. Die Grafik und der Sound dienen als Belohnung, Inszenierung.  Dies legt zumindest die 25jährige Geschichte der  Computerspiele nahe, die angefüllt mit verschiedensten Settings mit unterschiedlichsten Avataren und Gegnern ist. Nichts desto trotz sind die auch die Egoshooter  moderne Märchen: Die Situation ist wiederhol- und schaffbar, die Kontrolle liegt beim Spieler. Je besser er spielt, umso eher schafft er es. (Mehr dazu im Artikel: Moderne Märchen >[http://www.gameculture.ch/2010/10/moderne-marchen/]) Egoshooter steigern zusätzlich das Gefühl der Kontrolle, indem sie vom Körper abgekoppelte Machtausübung zulassen vorallem beim Schiessen: Die Aktion (das Auslösen des Schusses) und die Reaktion (Ausschaltung eines Gegners) können weit auseinander liegen. Dies ist natürlich nicht nur für ihn ein Vorteil sondern auch für seine Gegner. Darum sind Fernwaffen auch beliebte Waffen.

Experimentierraum: Einfache Problemlösungen in Spielen

Da Games nach vereinfachten Modellen funktionieren sind die Probleme und ihre Lösungen im Gegensatz zur Realität sehr einfach gehalten. Im Spiel muss man sich keine Sorgen machen, dass das ganze Folgen hat. Genau wie in anderen kulturellen ‚Events‘: Wenn beim Schauspiel im Theater einer erschossen wird, dann gehen wir eben nicht hin und schreien: „Mörder, Mörder“ und die Polizei verhaftet den Schauspieler. Wir wissen kulturell, dass dies gespielt ist und jenseits dieser Fiktion nicht exisitiert. Dabei sind Computerspiele wie FirstPersonShooter nicht anders als Brettspiele wie Schach oder Monopoly: man spielt mit Spielzeughäusern und Spielzeugarmeen. Alle diese Gegenstände haben nur im Spiel (MagicCircle) eine Bedeutung oder ergeben in diesem Zusammenhang „Sinn“. Spiele müssen also immer in ihrem Rahmen beurteilt werden. Was muss man dabei tun und wie? Dies sollte bei jedem Spiel einzeln entschieden werden. In vielen Spielen sieht es nach einem Gemetzel aus, dabei muss der Spieler nur durch die Szenerie schleichen. Es ist also schwierig anhand von Game-Videos oder gar Game-Trailern abzuschätzen, was wirklich im Spiel verlangt, gefördert oder sanktioniert wird. Manch ein harmlos aussehendes Spiel ist in seiner „Problemlösung“ bedenklicher als ein brutal erscheinendes „Ballerspiel“. Dies zeigt etwa der Prozess der Alterfreigabe für Games (USK) in Deutschland – hier wird  jedes Spiel einzeln bewertet. Spiele aus demselben Genre mit ähnlicher Grafik müssen dabei nicht zwangsläufig in dieselbe Alterskategorie fallen, wenn etwa ein lustiges Kinderspiel mit Egoshootergeräuschen daher kommt.
Settings für Egoshooter – von Smilies-Welten über Spacemarines bis zum 2ten Weltkrieg
Auf diesen Kern-Spielmechanismus „stetige Bedrohung“ kann dann ein Setting appliziert werden aus eigener Geschichte, eigener Grafik, Sound und Music. Settings unterstützen den Gamemechanismus indem sie den Spieler einführen und den Gamemechanismus „plausibel“ erscheinen lassen und die Langzeitmotivation am Leben erhalten. Eines der ersten Settings war eine Smilie-Welt (MidiMaze). Anschliessend war lange Zeit das gebräuchlichste Setting Science Fiction im „Weltraum“(bei Doom, Unreal, Halo).
Kriegsspiele – ein Genre, das zunehmend mehr sein will als ein Spielgenre
Seit einigen Jahren trifft man vermehrt auf „pseudo realistische“ Kriegsszenarien aus dem 2ten Weltkrieg oder immer öfter zu aktuelleren Kriegsschauplätzen wie Irak oder Afghanistan.  Dabei wird das Setting „Kriegsschauplatz“ leider zunehmend auch für die  Werbung genutzt und es wird der Eindruck vermittelt, es handle sich hier um realistische Kriegsspiele oder gar Kriegssimulationen ( etwa im Gegensatz zum abstrakten Schachspiel). Dabei werden „realistischere“ Grafiken ins Feld geschickt, die detailierte und gewaltätiger Destruktion inszenieren. An der bewährten und einfachen Spielmechanik dagegen ändert man nichts: Ein beschützter Spieler sitzt mit Getränk am sicheren Computer und agiert meist wie eine Rambo-2,3,4 oder 5-Filmfigur.   Es finden sich nicht selten Sprüche wie „Wie im Krieg“, „In jedem steckt ein Krieger“, „Realistischer“, „Mitten drin“. Diese Werbung versucht vorzugaukeln, dass es sich nicht mehr nur um ein harmloses Spiel handelt. Ein verhängnisvolle und teilweise vermutlich sogar geglaubte Überheblichkeit von Gamefirmen, die aus ihrem verniedlichten Kriegspielen mehr machen wollen. Diese Neuinterpretation – kein Spiel mehr sein zu wollen, sondern mehr – hat natürlich Folgen, denn es stellt sich auf einmal die Frage: „Wenn das realistisch sein soll, wo sind wir dann? Hier werden Leute ausgeknipst. Ist das Propaganda für den Krieg? Sollte man dann nicht jede Werbung dafür verbieten, immerhin sterben im Krieg Menschen. Eine Altersfreigabe ab 16 steht da eh ausser Frage.“ CallOfDuty oder MedalOfHonor-Spieler zucken dabei mit den Achseln und berufen sich indirekt auf den Gamemechanismus: „Es ist ja nur ein Spiel. Man erfüllt Tasks und die detaillierten menschlichen Spielfiguren sieht man eh nach 15 Minuten eigentlich nicht mehr.“
Es verwundert denn auch nicht, dass viele Fans von Egoshootern mit „photorealistischen“ wie MedalOfHonor oder CallOfDuty, die sich auf „Realkriegsspiele“ spezialisiert haben, nicht viel anfangen können. Denn einem Spieler  im klassischen Sinn, geht es letztlich mehr ums Spiel als um den visuellen Realismus einer Szene.

Mehr Informationen
Eine detaillierte Analyse über Vorläufer, Motivation, Aufbau des MagicCircles anhand des ScienceFiction-Egoshooters DOOM3, findet man im Artikel: (Sinn-)System Shooter ((Sinn-)System Shooter, Mela Kocher, Beat Suter, René Bauer. In: Shooter. Eine multidisziplinäre Einführung.)
[René Bauer]

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3 Antworten zu Warum FirstPersonShooter alias Killerspiele Spass machen (eine Erklärung auch für Nicht-Spieler)

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