Welche Perspektive hat eigentlich PacMan (und damit viele andere Spiele aus der 8/16bit-Zeit)?

Das Labyrinth: TopDown!
Die erste Anwort von ganz weit weg: „Es ist TopDown! Klar“. Da hat der Spieler* Übersicht, es sieht nach Plan aus.
Schaut man aber genau hin, entdeckt man etwas Interessantes: Das Labyrinth scheint tatsächlich TopDown zu sein. Aber die Figuren?
PacMan & Geister? Nicht TopDown!

Die Figuren sind keineswegs TopDown. Wären sie das, dann wäre die Form
Rund von oben wie in ShootEmUps etc. Die Figuren aber sind allerdings eine Frontal- oder Seitenkamera. Das heisst, es scheint als hätten alle Figuren eine eigene oder eine gemeinsame Frontkamera in einer TopDown-Perspektive.
Inkohärente zusammengesetzte Perspektive in 8/16Bit-Spielen und ihre Erklärungen
Diese Inkohärenz kann verschieden interpretiert werden, zum einen in der Suche nach einer einheitlichen ‚analogen Kamera‘ oder dem Ansatz etwas nicht Analoges evt. Neues als Kamera/Perspektive zu finden:
1. Es handelt sich dabei um eine Weltraumansicht (GoranS-These)t. Aber: Warum wird hier nicht abgebremst? Warum bewegen sich alle so irdisch fort?
2. Die Geister sind planar auf den Kopf von einem NPC geklebt und darum bewegen sie sich so oder die Geister haben tatsächlich ihre Front „auf dem Kopf“ Sehr unwahrscheintlich
3. Es handelt sich um eine Seitenansicht-Perspektive der Geister (wie bei Jump&Runs). In dem Fall wäre die Frage: Warum fallen dann die Objekte nicht?
4. Eine komplexe Konstruktion der Geisterfortbewegung mit Saugnäpfen an einer Welt von oben nach unten bewegen. Na ja..
5. Die Kamera ist halb geneigt und das Labyrinth einfach leicht nach hinten geneigt. Diese Kamera wird in anderen Games mit gleicher Perspektive durch die Gestaltung des Labrinths TopDown (siehe Gauntlet und co) und sogar Perspektivisch nicht bestätigt. Es gibt keine grafischen Andeutungen bei PacMan und Co dazu.
6. Die Kameraperspektive ist rein virtuell und lokal – Dies stört den Spielenden kaum und hat sich als eine „natürliche“ Ansicht eingebürgert (sozialisiert). Es simuliert am Nächsten eine Frontprojektion. Es ist eine Art Billboard-Effekt in der Visualisierung.
7. Die Kamera ist eine „Comic-Camera“ oder anders gesagt – alles ist wie bei 6 möglich. Dieser Ansatz ist auch interessant, weil gerade in diesen Jahren Comic ein sich entwickelndes Medium war und es einige Bezüge zwischen Games und Comics gibt.
8. Es ist eine virtuelle (Sammel-)GameKamera in einem MagicCircle und da akzeptiert man halt jede Regel.
Konkret scheint nur 6-7 die Widersprüche abzufangen und sie einigermassen zu „erkären“. Es wäre eine Art Sammelkamera, eine Kamera, die verschiedene Arten von Perspektiven in einer vereint und die wir als Spielende* akzeptieren können (These 8). Auch Kamera 5 kann hier untergebracht werden – sie wäre dann eine „unerfüllte“ nur teildargestellte Kamera. In ihrer Realisierung aber ist sie weiterhin keine ‚analog-reale‘ Kamera bzw. Perspektive.
Symbolische „Kameras“ bzw. Bilddarstellungen
Diese Art von verschiedenen „Kameras“ in einem kennt man* schon auch aus längerer Tradition etwa bei den Bildern aus dem Mittelalter, die ich als symbolisch bezeichnen würde (Gross ist, was wichtig ist).

Eine Darstellungsform, die man* auch im Gamedesign dieser Jahre findet. Schlüssel sind etwa überaus gross.
Hier radikal im Amiga-Spiel Bone Cruncher

Die „Virtuelle Sammel-Symbol-Perspektive“
Schaut man sich andere Beispiele an, so wird klar, dass wir als Spielende* diese seltsame VirtuelleSymbolKamera gerne akzeptieren und auch die meisten Spielenden* keine Problem damit haben. Die Bewegung ist wie auf eine Karte. Einfach zu bedienen – in 4 Richtungen – schön entlang der Joystick-Achsen. Sie benötigt keine komplexe Übersetzungleistung und ist fast schon eine Gestensteuerung. Die Objekte sind darauf dargestellt, wie sie vor Ort aussehen – es ist mehr symbolisch oder comichaft als ‚realistisch‘.
Es scheint als würden wir eher auf lokale, symbolische Kameras schauen im Bild als auf eine gesamte Bild gerichtete kohärente Kamera.
Ein weiteres Beispiel aus der Ahnengallerie der Virtuellen-Comic-Symbolischen-Sammel-Perspektive in Games: Night Stalker. Auch hier ist die Kamera unverhältnismässig gross.

Selbstverständlich lässt sich auch der Rahmen anders gestalten (Tür, Farbnutzung) und damit den Eindruck erwecken, als sei das ganze Spiel in einer Zentralperspektive dargestellt – hier bei Speedball. Aber auch hier ‚funktionieren‘ die Spielfiguren anders perspektivisch.

Radikaler Cyberspace – Gemalte Perspektiven
Es scheint als seien diese Cameras der Computergamefrühzeit (vorallem 8Bit) letztlich virtueller oder mehr Cyberspace (flexibeler) als die heutigen 3D-Kameraperspektiven. Dies hat natürlich diverse Gründe, zum einen war diese Zeit eine Pionierzeit und es gab keine Möglichkeiten eine 3D-Perspektive totalitär zu nutzen (Geschwindigkeit) wie heute (Rechenzeit), zum anderen konnten sie nicht in Echtzeit berechnet werden. Das heisst diese virtuelle/cyberspacige Welt war ‚Hand‘ gezeichnet – also cyberspaciger als 3D-Projektionen. Manuelles Rendering pur. Jeder* Designer* musste das Problem irgendwie lösen, das visuell sehr wenig möglich war und die Spieler* und Designer* trotzdem 3D wollten. Und diese Art der Virtuellen-/Comic-Kamera ist eine Lösung, die schon sehr früh benutzt und bis heute akzeptiert wird. Es ist also eine Art Sammelkamera. Wie man etwa im Spiel Dungeon 1975 (pedit5) sieht. Hier gibt es sogar noch mehr Perspektiven in einer Darstellung etwa eine Isoperspektive.

Und dies findet man dann später in ganz vielen Games wie etwa Gauntlet, wo sogar noch die Zentralperspektive auftaucht bei den Kisten. Wobei jede Kiste einen eigenen Fluchtpunkt hat!

Je länger man* sich mit den Games dieser Zeit beschäftigt, umso klarer wird, dass viel mehr möglich war und viel mehr akzeptiert wurde als etwa heute. Damals wurden durch Try&Error Darstellungsformen des 3D gefunden wurden, die wir vielleicht heute nur noch akzeptieren, weil Games uns alle so sozialisiert haben.
Der Rahmen
Selbstverständlich werden digitale Spiele natürlich auch mit dem Rahmen des Arcades, der Werbung und der Box (Retail) gerahmt und dadurch imaginiert (Semiose).
Und diese sind mehrheitlich eindeutig: Es geht um 3D Figuren, die auf einem Untergrund stehen. Noch mehr Top-Down wirkt das Cabinet von PacMan. Wo man sogar beim Spielen auf das Spiel schaut von oben nach unten (TopDown).

Auch für Zuhause wird von oben nach unten gedacht. Auch wenn nun hier der PacMan vertikal geht und springt (im Bildschirm). Dazu interessant auf der RetailPackung links oben die Punkte, die vom vertikalen Screen ins 3d Geghen und auf dem dann die Geister wie die PacMans stehen. Auch dies konsequent war das Game aufgehängt selbst im Laden.

// ToDo: Weitere Arcades und Retailboxen anschauen