Das System der Dinge – ein Buch für Gamedesigner von Baudrillard


Welches Buch sollte ein(e) GamedesignerIn in diesen Tagen lesen?  Die Antwort ist mehr als 40 Jahre alt und ist ein Buch (für Frustrationstolerante): „Das System der Dinge – Über unser Verhältnis zu alltäglichen Gegenständen“ von Jean Baudrillard (Baudrillard ist bekannterweise der Theoretiker der „Simulation“ – das Buch „Simulacrum“ in Matrix erinnert(e) (gegen seinen) Willen daran).
Baudrillards Text setzt sich mit den Alltagsgegenständen auseinander von Betten, Tischen, Sofas, Spiegeln, Öfen bis hin zu den Autos und dem Verhältnis dieser Gegenstände zueinander. Dabei stellt der Text eine Veränderung in der Gesellschaft der 60 Jahre des letzten Jahrhunderts fest. Die Wandlung, die uns zu einer „funktionalen“ Gesellschaft mit funktionalen Gegenstanden geführt hat.  Die Veränderungen sind dabei gravierend: Aus einer Gesellschaft abhängig von der Muskelkraft (an die alle Objekte angepasst waren, in Grösse, Gewicht und Handhabung) wird eine Gesellschaft der entfesselten Machtausübung und Kontrolle.

Ungebändigte Kraft: Motoren, Elektrizität, (interaktive) Digitalität

Der Mensch benutzt zunehmend körperfremde Kräfte wie Hebel, Motoren, Elektrizität zur Kontrolle der Umgebung. Dadurch ist er in der Lage viel grössere Objekte zu kontrollieren, wird selber aber nur noch zur Kontrollinstanz. Das Ende dieser Entwicklung sind natürlich auch Computerspiele mit ihren „körperlosen“ digitalen Gegenständen – per Knopfdruck löst man komplizierteste Bewegungen aus oder man steuert springende Super Brüder, Monster bis hin zu haushohen Robotern. Die Digitalität ist dabei eine total verformbare und programmierbare „Materialität“. Die Folgen sind dann ein nicht gerade sorgsamer Umgang mit dieser virtuellen Ressource: Manch ein Gamedesigner drückt etwa einem von Essstörungen geplagten Girlie-Avatar eine 3 Meter und 150 kg schweres Schwert in die sehr kleine Hand oder lässt Söldner in Spiel Stalker mit 300kg schweren Rücksäcken (gefüllt mit unendlich vielen Waffen) durch die Gegend rennen. Spiele müssen natürlich nicht realistisch sein und trotzdem folgen sie Gesetzen und Designregeln.
Gerade weil Designregeln dem Spieler helfen in die „Welt“ zu kommen, darin zu spielen und diese zu „verstehen“ (Erwartungen aufbauen , diese Thesen testen und wiederum anwenden). Die Regelhaftikgeit ist ein design-ökonmisches Prinzip:  In jeder Szene eine andere Bedeutung der Objekte, der Zeichen und Formen und eine andere Steuerung funktioniert als Kunst aber eben nicht für den Floweffekt im Spiels.
Dies bedeutet natürlich nicht, dass Spiele realistisch sein müssen, aber sie müssen immerhin in diesem Gamesystem selbst „funktionieren“, damit es das Spiel als Fiktion eigenständig „funktioniert“.

Die Ordnung der Dinge
Baudrillards Text zeigt an Beispielen auf, wie sich Gegenstände entwickelt haben und sich je nach Bezugsystem verändern. Anhand einer Wohnungseinrichtung zeigt der Text, wie sich die Art des Bettes vom statischen Bettmöbel zum bewegbaren Möbel verändert immer eingebettet in die veränderten Bedürfnisse eines Haushaltes und des rahmenden sozialen Systems. Dabei wird klar: Einrichtungen und die darin lebenden Menschen sind ein komplexes Ökosystem – aneinander angepasst.
Vom Brunnen fürs Wasserholen, die Körperpflege, das Kleiderwaschen, die Tiertränke zum Wasserhahn in der Küche, dem Lavabo und der Waschmaschine

Aus den Erfindungen wie Feuer  (und der Feuerstelle oder dem Küchenherd in alten Häusern), die einst sowohl Licht, Wärme wie auch Kochgelegenheit in einem war, sind verschiedene Objekte mit einer eigenen Funktionalität geworden: Die Lampe spendet Licht, der Heizofen heizt den Raum und der Herd wird für die Zubereitung von Speisen gebraucht.
Langsam löst sich also der alte Zusammenhang von der Materialität der Dinge ab. Eine Funktion hängt nicht mehr an den Eigenschaften von Materialien wie Holz oder Knochen. Die Welt wird nicht mehr nach der Materialität arrangiert, sondern konstruiert ohne „inneren“ Zusammenhang. Die Welt wird zum Spielball von Designern. Der Designer ist durch eine zunehmende Anzahl von formbaren Materialien in der Lage jede erdenkliche Form zu gestalten. Wir leben also zunehmend in einer von Menschen gemachten Welt (Mehr als 50% aller Menschen leben in Städten). Dies trifft umso mehr auf das Spiel zu, das eigentlich nur von Menschen mit „Sinn“ ausgestattet wird. Zunehmend interessieren die Benutzer, die Hintergründe nicht mehr, wenn allein die Funktionalität gewahrt bleibt. Aus diesem Grund wird auch zunehmend das Interface wichtiger, die bekannte Oberfläche.
Funktionen: Holz, Holzimitate oder Texturen?

Der Text verdeutlicht wie sehr die Objekte und ihre Materialien nur noch simuliert werden, wie Materialien wie Holz verschwinden und durch artifizielle Materialien wie Plastik ersetzt werden. Man kann geradezu eine Linie ziehen zwischen dem Gebrauch von echtem Holz, dem Übergang zu Plastikimitaten und letztlich dem Gebrauch von Texturen: So ersetzte man beim Atari 2600 das Holz ein Plastikimitat und die Fortsetzung dieses Gedankens findet sich heute mit raumlosen Texturen, die Oberfläche simulieren und deren Hinterseite nicht mal eine Farbe geschweige denn eine Oberfläche kennt.

Kulturelle Moodboards

Die Rückdrängung von realen Gegenständen ist im Game der Simulation von Gegenständen gewichen. Diese virtuellen Welten haben keine eigene Stofflichkeit (keinen inneren Zusammenhalt), aus diesen Gründen muss diese Funktion nachträglich simuliert werden visuell mit Shadern, auditiv mit Soundscapes, Tönen bei der Interaktion (Anfassen oder beim Darübergehen). Haptische Erfahrungen bleiben weitgehend aussen vor, müssen über aussergamische Erfahrungen ins Spiel geholt werden. Erfahrungen aus den Assoziationen zu Gegenständen, die wie Holz aussehen, wie Holz „tönen“ und seit Neuem wie Holz brechen, wie Holz sich „warm“, wie es immer eine einzigartige Maserung hat. Virtualität hat dagegen keine eigene Stofflichkeit, in ihr muss alles zusätzlich hinzugefügt werden (ausser die Begrenztheit an Polygonen und Shadern natürlich). Zusätzlich zu diesen Oberflächenphänomenen müssen die Objekte aber auch in ein Ökosystem der Bedeutung, eine Ordnung der Dinge gebracht werden.
Ein Game – eine virtuelle Ordnung der Dinge

Wer neue Gamewelten kreiert sollte also nicht nur   die auditiven und visuellen Effekte gestalten (dies tönt natürlich banal und dennoch arbeiten zu viele Spiele  nur mit visuellen Moodboards). Es sollte vielmehr eine Ordnung der Dinge erstellt werden pro Game, die kulturelle Zusammenhängen von Gegenständen in der Fiktion ordnet und den virtuellen Undingen eine Bedeutung gibt. Es sollte ein Fluss von Zeichen designed werden, der als Kreislauf funktioniert. Es ist Zeit den Bereich „kulturelle Moodboars“
anzulegen und Ordnungen für jedes Spiel herzustellen.

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3 Antworten zu Das System der Dinge – ein Buch für Gamedesigner von Baudrillard

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