Immer dieselben Spiele und Spielkonzepte – kulturelle Aktualisierung der Spielschematas


Neues Spielkonzept? Das war ja vor 10 Jahren dasselbe, dieselbe Idee. Da gibt es kein Weiterkommen – es ist zu 99% nur ‚Technik‘- getriebene schönere Grafik, das war es.“ Man hört diese Klage immer wieder und die Klage kommt vor allem von Leuten, die in der Spielszene schon länger unterwegs sind (oder die sich historisch mit der Spielkulturszene auseinandersetzen). Darauf antwortet eine jüngere Generation oder Casual Gamer  nur schulterzuckend: „Na und wenn schon? Für mich ist es neu und macht mir Spass.“ Was hier aufeinander prallt, sind Ansichten und Wertungen rund um die Kulturtechnik des Aneignens und Umarbeitens von Kulturgegenständen – Grundlage ist dabei, dass es etwas gibt, worauf man aufbaut oder wovon man sich distanziert. Werden kulturelle Gegenstände etwa Spielmechanismen nicht immer wieder „neu“ aktualisiert, gehen sie gesellschaftlich vergessen und verschwinden langsam.
Eine Spielszene – zwei Usergruppen
Die elektronische Spielszene ist alt geworden inhaltlich wie auch personell. Das merkt man etwa daran, dass es überhaupt eine „Retrowelle“ gibt und dass neue Spiele nun auf älteren technisch bedingten Grafikstandards basierend als „neu“ angesehen werden. Auf der Ebene der Spieler ist es zu einer Art Aufspaltung der Szene gekommen: Es gibt auf verschiedenen Ebenen Spieler: Asynchrone Spieler (die schon ewig dabei sind – Zitat 1) und synchrone Spieler (kurz dabei oder Gelegenheitspieler – Zitat 2) Für die Gamedesigner stellen sich dadurch neue Fragen: Für wen produziere ich? Muss ich die Spiele überhaupt in Sachen Gameplay weiterentwickeln oder reicht auch ein schöneres Remake zu machen? Hat mein Spiel eine Remake-Zeit von 2 Jahren oder reichen schon 4 Monate?

Ein Steinbruch – die entstandenen Spiele der letzten 25 Jahre
Beim Altern der Spielszene wurde ein grosser Berg von Spielen aufgeschüttet, bei dem man sich bedienen kann und dies auf allen Ebenen der Gamekultur: von der Story, über die Settings, Sound, Grafik bis hin zu den Gamemechaniken. In der Gameindustrie läuft nun ein Prozess, den wir schon lange aus der Filmindustrie und Kultur allgemein kennen: Jedes Jahr kommt ein Remake von einem alten Klassiker raus. Die asynchronen Filmzuschauer – reiben sich die Augen und sagen: „Schon wieder ein Remake von ‚Planet der Affen‘,‘ Herr der Ringe‘, ‚True Grit‘ oder ‚Der Tag an dem die Erde stillstand'“. Weiter kann man fragen: „Und warum gerade jetzt?“ Die entstehenden und ausgewählten Filme (Theaterstücke, Texte etc) sind dabei immer angepasst an die jeweilige Kultur. Die Story, das Set wird angepasst: aus Umweltverschmutzung oder nuklearer Verstrahlung wird Gentechnologie etc. Vieles fällt auch aus der kulturellen Reproduktion, wir fürs erste mal vergessen. (Wer erinnert sich noch an das Game Spindizzy World? Nicht alle dieser Spiele der Amiga/Atari ST-Zeit waren etwa nicht erfolgreich oder nicht kultig (Konkret haben viele Firmen dieser Zeit das Ende der Homecomputer-Area nicht überlebt).

Eine Konsumgesellschaft braucht Remakes – für die  Konsumenten der nächsten Generation
Dabei ist natürlich klar: Die Remakes sind nötig für unsere Konsumgesellschaft, die mehrheitlich nur synchron (hier und jetzt) konsumiert. Nur was aktuell ist, kann ein Hit und damit reproduziert werden. Nur was gerade im Kino kommt und in der Aufmerksamkeitsökonomie gerade im Fokus steht ist „hip“ und „aktuell“ und steht dann unter aktuell im Gamemagazin. Dabei ist klar: Das Orginal des Remakes hat schon mal gesellschaftlich „funktioniert“ und schliesst an eine vorhande Kultur an. Ein heutiger Jugendlicher würde den „orignalen“ „Der Tag an dem die Erde stillstand“  aus dem Jahr 1951 in schwarz und weiss niemals sehen. Der Film kommt einfach nicht im Kino, wird nirgends besprochen, ist angestaubt. Die Aliens kommen um die Erde zu säubern, weil sie zuviel Krieg veranstalten. Spielt aber ihr  Kanu Reeves mit (den sie vielleicht noch aus Matrix kennen) und geht es um die schwindende Artenvielfalt, fühlt man sich da schon mehr im „Heute“.

Wie steht es um die Aktualisierung bei Games?
Wenn ein Kulturgut  immer wieder auf den neusten Stand gebracht werden muss, dann trifft das in ganz krassem Fall auf die Games zu. Hier verändert sich die Zielgruppe von Kind über Jugendlicher  bis hin zu Erwachsenen enorm schnell. Man kann also nicht einfach 25 Jahre bis zum Remake warten. In relativ kurzer Zeit wird diese Community ausgetauscht und es kommt eine neue Generation. Dieses „Spielfenster“ wurde in den letzten Jahren ausgeweitet mittels Social Games und SmartPhone-Spiele. Heute kann jeder die klassischen Spiele immer und überall spielen. Meist ist diese Entwicklung aber mehr technologisch als gesellschaftlich-relevant (eher eskapistisch) getrieben.

Technologische Aktualisierung: Visuals und Interface
Bei Games wird meist nur das visuelle Frontend ersetzt, das Interface angepasst. Alle paar Jahren (um die 5 Jahre bei den Konsolen)  kommen wieder neue Technologien auf den Markt, verabschieden sich Konsolen als Reproduktionmöglichkeit. Es wird rumgewerkelt an der Ausgabe (HD, 3D) oder am Input. Hier müssen Gamekonzepte überarbeitet werden auf die neue Spielehardware, ein oder zwei neue Konzepte(Mechanismen) abhängig vom Input oder Output entstehen. Es kann neu gekauft werden.Viele Spielkonzepte/Spielschemas mussten etwa in den letzten Jahren auch den Sprung von 2D auf 3D repdrouktiv „überleben“. Viele haben diesen Sprung nicht überstanden, andere wurden weitertradiert. Einige wenigen schaffen etwas Neues (etwa Super Mario Galaxy nach den Jahren mit Super Mario Starshine etc.).

Aktualisierte  Spielschematas – mehrheitlich Fehlanzeige
Wie Hollywood jahrelang Freud und die Psychoanalyse aufgekocht hat (immer dieselben dümmlichen Stories mit dem Vater oder Märchengeschichten etc), so kocht die Gameindustrie seit längerem  immer dieselben Settings, Spielschematas oder Gamemechaniken auf. Es geht mehrheitlich um die Settings ScienceFiction, Fantasy, Krieg oder Horror. Kurz: eskapistische Settings. Das hat natürlich was Gutes, man muss nur die Grafik ändern und schon ist es ein neues Spiel (ist billiger auch bei den Fortsetzungen – God of War 1-3). Spannenderweise bemerken die Kunden nicht mal, dass es dasselbe Spiel in einem anderen Setting ist. Das ist natürlich auch der einfachste Weg und es bleibt doch etwas für Neueinsteiger. Die Weiterentwicklung im Sinne von komplexeren Mechaniken ist immer auch eine Gefahr. Gerade Farmville als vereinfachtes SimCity mit dem SocialEffect „Konkurrenz“ zeigt, wie mit Wenig Mehr gemacht werden kann und wie man viel breitere Schichten erreicht. Auch viele andere Mainstreamtitel gehen im Moment diesen Weg.  Als Neu gilt dann bei Klassikern schon ein paar Guns mehr oder ein bisschen mehr Coop-Missionen machen dann schon ein „neues und aufregendes“ Spiel. Die Indieszene bringt zwar auch des öfteren neue Ideen, aber vieles ist auch hier Aufgekochtes in neuerer Grafik.

Aktualisierbarer Bezug zur Realität – immer dieselben zeitlosen Settings
Es scheint als ginge die Gameindustrie und mit ihr die Indieszene den Weg des geringsten Widerstandes. Man hat sich eine zeitlose Grafiken/Settings/Gamemechanik-Hülle aufgebaut, in der man lebt und zwar genüsslich  Das Spiel als Kulturform (jenseits von GameArt/ArtGames und Medienkunst) hat sich eingerichtet als das, was nicht „Weh tut“ und darauf aufbauend sich auch gar nicht mit der Gesellschaft auseinandersetzen muss. Ausnahme: Technologie. Es muss deswegen auch nicht besonders aktualisiert werden – da es schon so zeitlos angelegt ist mit Settings und Gameschematas. Damit vollführt auch diese Sparte des Spiels, was die anderen Spiele wie etwa Monopoly vormachen: Man erscheint zeitlos und transportiert ungehindert und unkritisch Werte wie Konkurrenz, Währungssyteme, Kapitalflüsse, teure Hotels etc.

In diesem Sinn ist selbst ein Film wie Avatar – wahrlich ein Monumentalwerk des Kitsches und der Einfachheit – etwas Kritisches, ein Nachdenken über unsere Gesellschaft und damit Kunst, wenn man es mit den Mainstreamwerken der Gameindustrie vergleicht. Denn er setzt sich mit der Welt auseinander und muss – falls es zu einem Remake kommt – zumindest umgeschrieben und angepasst werden.
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