Streaming & Konferenz-Chats oder Emanzipation für das Publikum!

Lange war klar wie eine Konferenz aussah: Klassische Mainstreamveranstaltungen bekannt aus der Reformation: Ein Sender viele Empfänger im Guckkastentheater bis hin zur Reihen-Bestuhlung. Im besten Fall noch ein Panel. Die Gamemechanik dabei ist und war klar: Der Sender hat das Recht zu sprechen, der Rest darf schweigen, eventuell flüstern oder gehen. Auch zeitlich war das Ganze seriell aufgebaut: Zuerst die Talks dann anschliessend die Fragen. Oder mit Goffman: ritualisierte Kommunikation.

Konferenz mit neuem Layer: Chat

Die Experimente dieses starre Konzept aufzubrechen gab es schon immer schliesslich war das Guckkastentheater ja auch nur ein Spezialform neben offeneren Formaten wie etwa Weltgerichtsspielen, wo man herum ging oder etwa der vorreformatorische Gottesdienst, der eher als OpenWorld organisiert war (man wanderte herum und hörte da was und dort was). Aber gerade um 2000 wurden durch das Internet neue Formate eingeführt: Es konnte gleichzeitig gechattet werden. Die Idee damals: Der Chat ist etwas anderes, er kann den Talk beeinflussen, aber er kann auch eine eigene Dynamik entwickeln.

Der Chat – die andere Diskussion oder nur Talk-Anhängsel?

Die Idee des Chats erweiterte den sonst monokausalen Ablauf und lässt neue Themen entstehen, Nebendiskussionen können stattfinden oder anders gesagt: Das Publikum bekommt ebenfalls ein Gefäss (im besten Fall nicht nur ein Echoraum). Damit wäre dieser Channel etwas Eigenes, ein eigener Diskurs – vielleicht sogar eine Gegendiskurs des Publikums und dessen Wissen. Damit wäre auch die Funktionalität des Massenmediums aufgebrochen.

Visualisierung des Chats an Wänden

Die Anzeige dieser Kommentare an der Wand in Konferenzsälen zum Teil hinter dem Vortragenden* war um 2000/2010 eine irritierende Herausforderung und klar, es entstand etwas Neues und der Präsentierende* musste damit umgehen können (Integration oder Nihilierung). Schnell wurden die öffentlich sichtbaren Kommentare natürlich moderiert, was nichts anders heisst als zensiert.

Online-Konferenzen – für was ist der Chat?

Nun 20 Jahre später ist man gewzungen wegen COVID, reine Online-Konferenzen zu halten (Die Probleme gab es natürlich schon davor – aber nun akzentuierte sich das Problem). Ein Beispiel dafür: Ludicious. Ludicious verwendt(e) Discord mit verschiedenen Kanälen, um die ganze Organisation zu handeln (IRC lässt grüssen).

Nur die Frage ist nun zum Ritualisierten: Ist der Live-Chat zum Livestream ein Chat oder einfach nur ein Raum, wo die Fragen deponiert werden dürfen – quasi ein Fragechannel.

Das Publikum ist dabei offensichtlich noch nicht in der heutigen Zeit mit den heutigen Möglichkeiten angekommen – sondern emuliert dabei immer noch die alte Kultur der Abbildung der Konferenz. Wenige diskutieren mit und nicht mal Kommentare werden gemacht, geschweige denn, dass sich ein eigener Diskurs entwickelt. Der Chat ist dabei die Magd des Speakers.

Channels: Questionchannel & Diskurschannel

Es scheint und das ist auch ein Finding, dass die Organistoren* genau anschreiben müssen für was ihre Kanäle da sind oder anders gesagt: Netiketten sind wieder wichtig!. Und eventuell sollte es auch eine Trennung geben zwischen Fragechannels und Diskussionchannels. Es ist dabei vermutlich besser – wenn der Diskussionschannel getrennt ist vom Panel (keine Sicht darauf von den Panelteilnehmern* oder dem Präsentierenden*), so dass hier wirklich ein anderer Diskurs entstehen kann und dass somit die alte Idee, des Aufbruchs des Massenmedium stattfinden kann. Auch nur so können wirklich kritische Fragen gestellt werden und kann sich ein Gegendiskurs entwickeln, wenn das nötig ist.

Dabei ist klar: Die Zeit des allmächtigen Speakers als Abfüller des Publikums geht in diesem Fall ihrem Ende zu. Oder dann wird schon in der Netikette klar: Hier ist Diskussion nicht gewünscht.

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