Eine kleine Geschichte der Künstlichen Intelligenz im Gamebereich

Warum überhaupt künstliche Wesen und damit eingeschlossen künstliche Intelligenzen in Spielen? Sind Multiplayerspiele nicht genug? Und warum spielten sie in Games immer eine Rolle – angefangen bei den ersten Arcade Games und warum sind sie heute nicht gar so beliebt?

Golem

Eigentlich muss man beginnen mit einem recht alten Mythos: dem mittelalterlichen Golem und mit einer Idee, die so alt ist wie der Mensch. Die Suche nach einem, der für eine Person „arbeitet“, Dinge erledigt und dies am Besten auch moralisch einwandfrei: also keine Sklaven. Der Golem füllt auf einer Metaebene recht gut diese Lücke. Er ist ein Helfer aus Ton, dem sein Meister (ein Priester) ein Blatt Papier zwischen die Zähne legt mit dem, was er tun soll. Selbstverständlich kommt geht die Sache schief raus (Der Mensch schafft sich sein eigenes Abbild, das kann nicht gut gehen). Der Golem ist ein recht gutes Vorbild für die Erfindung des Computers und seiner Programmierung – immerhin die Grundlage für Computerspiele.

Die Extension

Am Anfang der Ideen zu künstlichen Kreaturen und KI steht provokativ gesagt die Faulheit oder Begrenztheit der eigenen Arbeitsressource oder die zumindest die Verfügbarkeit. Kurz und gut: Macht. Folgt man der Theorie von McLuhan, dass wir uns Ausweiten möchten, um mächtiger zu werden (mit Messern, Schwertern, Speeren aber auch Kleidern, Walkmans oder mit Schrift (Gutenberggalaxies) etc), dann sind KIs die perfekte Ausweitungen, die selbst in der Lage sind zu Handeln, unabhängig von uns als Meistern. Und aus Gamekultursicht: wir können mit jemandem spielen ohne einen Kompromiss einzugehen und das endlos ohne Reue.

Automaten – KI 1.0

Künstliche Lebewesen hatten geradezu eine Blütezeit ab 1700 mit der einsetzenden Aufklärung. In einer Zeit also in der Mensch viele technische technische Entdeckungen machten und damit positivistisch gesprochen einen ‚Sprung vorwärts‘ machten weg von der einzigen Energiequelle Mensch. Es entstehen etwa künstliche Enten, die ‚essen‘ etc. Mehr dazu hier >

Es verwundert dabei auch nicht, dass es diverse Geschichten dazu gab. Angefangen bei einer Erzählung von Goethe (wo sich einer in einen Automaten verliebt) bis hin zum Der Sandmann (ETA Hoffmann 1816) bis hin zu einer Erzählung von Goethe.

Interessant hierbei sind auch die Schweizer Beiträge zu dieser Automatenwelt – angeführt von dem neuchateller Uhrenmacher Pierre Jaquet-Droz etwa die 3 Androiden (1774). Sie können schreiben, zeichnen und Musik machen.

Mehr zu diesen beachtlichen und komplexen Automaten findet sich hier >

Der Schachtürke

Und das Spiel? Künstliche Intelligenz ist immer auch ein Spiel, um die Frage, was ist die Intelligenz des Menschen – denn mit jeder Rekonstruktion/KI verschiebt sich der Grad, die Art was er ist. Lange Zeit galt Schach als Gradmesser für Künstliche Intelligenz (klare Regeln, ein recht offenes Spiels) und ein Spieler ist sinnbildlich dafür.

Fast schon einen Schlusspunkt für eine lange Zeit setzte der fantastische Automat „Schachtürke“. Er spielt extrem gut Schach: Variantenreich, mit Weitsicht. Es war geradezu ein Wunder zu dieser Zeit. Er war schwierig zu schlagen, denn er spielt wie ein guter menschlicher Schachspieler. Ein magischer Automat – er konnte mehr als er können sollte.

Und so war es denn auch: Verborgen im Automaten sass ein horizontal Herausgeforderter, der den Automaten steuerte. Das Ganze soll erst aufgeflogen sein, als eines Tages jemand ‚Feuer‘ schrie und der horizontal Herausgeforderte heraussprang.

FakeIt!

Sehr früh beginnt damit schon eine ganze Linie, die innerhalb des Gamedesign eine wichtige Rolle spielt: Wie fakt man Künstliche Intelligenz? Oder anders gesagt: Wie lässt man Menschen glauben etwas sei klug und selbsthandelnd.

Turings Universalmaschine – KI 2.0

Die Linie von Golem nahm Alain Turing wieder auf oder anders gesagt: Turing erfand den Menschen wieder als neu als logisch standardisierten Leser und Schreiber – die Turing Maschine (Er war eine Art perfekter geschulter Schüler der Gutenberggalaxies. ) oder simpler: einen mathematisch logischen Buchhalter mit Papier, Stift und Papier. Dieser simuliert seither Programmabläufe – der kleine Mensch im Computer.

Wie sehr mechanisch programmiert die Computertechnlogie (und Games) ist, zeigt, wenn man tatsächlich eine andere zum Einsatz bringt: Gamkunst BioPong.

Hier verrichtet eine nicht so berechenbare Kakerlake ihren Dienst.

Und selbstverständlich lassen sich mit If-statements Künstliche Intelligenzen konstruieren und erstellen. Dies ist vermutlich auch weiterhin die meistgenutzten Art von Künstlicher Intelligenz.

NIMROD – Analoge KI (1950)

Für eine Ausstellung entstand 1950 der Spielcomputer NIMROD bei dem man das Streichholzspiel NIM (Wegnehmen von Streichhölzern, wer das letzte nimmt hat verloren) gegen diesen speziellen Gamecomputer spielen konnte.

Das Beispiel NIMROD steht auch für eine ganze Reihe von Schaltungen und analogen Hardwares im Spielbereich, die eine KI simuliert haben. Die bekannten Beispiele sind sicherlich Flimmerkästen, die bis in die 80er Jahre hinein mit Relais oder ganz analogen Techniken gesteuert waren und trotzdem über gewisse Entscheidungslogiken verfügten.

NPC der NonPlayerCharakter – Gegner KIs 2.0

Je öfter Games nicht mehr Multiplayerspiele sind sondern SinglePlayer (wo man gegen den Computer „spielt“) umso mehr kommen Gegner zum Einsatz. Diese Entwicklung ist vor allem Anfangs der 80er Jahre zu beobachten. Ausgegnerischen Schlägern werden Blöcke (Pong > Arkanoid) oder aus gegnerischen Raumschiffen Asteroiden (Asteroids) oder Space Invaders werden.

Als die Gegner noch sehr primitive statische KIs waren: Space Invaders (1978)

Gegner sind meist klassisch programmiert – genannt NonPlayerCharacters / NPCs (eigentliche KIs).

PacMan (1980)

PacMan gilt als eines der ersten Games, in dem die Gegner (NonPlayerCharacters, NPCS) über eine Art eigene Logik verfügen: Jeder Geist hat ein eigenes Behavior (Diskussion der Programmierung).

Ausprobieren? Hier auf Archive.org >

LittleComputerPeople (1984)

Ein weiteres Interessantes Beispiel ist LitteComputerPeople. Das Spiel, das als Vorläufer von Sims gilt, simuliert als Forschungsprojekt den Mann, der im Computer ‚wohnt‘ (seltsamerweise keine Frau. PacMan wurde als ein Spiel fr andere als nur Männer in japanischen Spielhallen konzipiert). Beim Start des Spiels wird eine von 16 Identitäten fest gesetzt mit eigenem Aussehen und eigenem Behaviour. Der LCP lebt nun vor sich hin und zuerst versucht man ihm Befehle zu geben: „Nimm“, „Mach“ bis man bemerkt, dass nur wenn man ihn höflich bittet mit „Pleas take … „, dann macht er es, wenn er gerade Lust hat. Das heisst dieser NPC hat ein eigene Identität und kann nur indirekt gesteuert werden. Es gibt dabei viel herauszufinden .

Ausprobieren? Hier auf Archive.org >

Dungeon Master (1987)

Dungeon Master war eines der ersten Spiele, die für die einzelnen Gegner eigene Verhaltensmodelle aufgrund der aktuellen Situation der Gegner einbauten. So ‚fühlen‘ sich etwa 4 Mumien stark, entledigt man sich deren 3, so bekommt die verbliebene (nicht immer aber des öftern) Angst und sucht das Weite. Dadurch muss der Spieler sein Verhalten ebenfalls anpassen.

Spielen auf Archive.org >

KIs 2.0 in Aufbaustrategiespielen

Sobald Spiele nicht mehr Multiplayerspiele sind müssen natürlich auch Strategiespiele einen menschlichen Gegner oder zumindest einen ‚Aliengegner‘ simulieren. Dabei bleibt den Spielern verborgen, wie die Künstlichen Intelligenzen dahinter funktionieren. Sind es BruceForce-Methoden (Vorausberechnen aller Möglichkeiten wie etwa bei Schachprogrammen üblich?)? Oder etwas Cleveres? KIs müssen nur für den Spieler glaubhaft sein und da lässt sich viel machen. Und so kann eine Zufallsroutine im Code ein Verhalten schon unberechenbar machen. Hier als Beispiel Populus, eines der ersten GOD-Games.

KIs 3.0 – Regelbasierte KIs

Die 70er und 80er Jahre brachten eine neue Art der Programmierung hervor: Deklaratives Programmieren. Es wurden nur Regeln und Fakten festgesetzt. Beispiele dafür waren: Prolog, Lisp.

Beispiel in Prolog:

% Wenn X Vater von Z ist und Z  Vater von Y ist, dann ist X Großvater von  Y
grossvater(X, Y) :-
    vater(X, Z),
    vater(Z, Y).

% Adam ist der Vater von Tobias
vater(adam, tobias).

% Tobias ist der Vater von Frank
vater(tobias, frank).

% Abfrage ob Adam der Großvater von Frank ist
?- grossvater(adam, frank).
true.

Zork

Mit diesem System können tatsächlich Schlussfolgerungen gezogen werden. Die Hoffnung der 80er Jahre KI lag in einem gewissen Sinn in diesen Systemen, die sich gut auch für Sprachanalyse nutzen liessen. Bekannter Einsatz eines solchen System ist im Textadventure ZORK.

Play online >

Dwarf Fortress (2006)

Das Spiel „Dwarf Fortress“ scheint auf eine ähnliche Weise zu funktionieren. Aber ganz klar ist dies nicht. Dwarf Fortress ist eines der komplexesten Aufbaustrategiespiele und gilt als Inspirationsquelle etwa von MineCraft. Darin gibt es psychische Simulationen etc.

Downloaden und Spielen! Aber Achtung das Nerd-Game! >

KI 4.0 : Künstliche neuronale Netze und Deep Learning

Mit der wieder vermehrten Nutzung von neuronalen Netzen und einigen Neuerungen ab 2013 stehen nun wieder künstlich neuronale Netze im Mittelpunkt (Erfunden wurden sie in den 60er Jahren). Sie werden sehr weitreichend eingesetzt. Nun werden neuronale Netzwerke bestehend aus verschiedenen Neuronen mit gewichteten Verbindungen trainiert meist mit viel Daten. Neuronale Netzwerke werden im Gamebereich des Öftern verwendet fürs Testing (finden von Fehlern, neuen Wegen etc), selbständige spielende KIs, Generierung und natürlich auch bei KIs.

Generierung
Nachfolgend ein Netzwerk, das selbst Textadventures generiert: AI Dungeon

AI Dungeon 2: Mehr dazu hier >

Wobei es nach wie vor ein Dilemma gibt im GameDesign mit neuronalen Netzwerk Gegnern.

Paradox: Die zu gute KI

Games sollen Spieler* unterhalten, sie herausfordern und das auf kontrollierbare, nachvollziehbare Weise. Spieler* sollen ihre Gegner schlagen können und hier beginnt das Problem. Sind die KIs zu gut oder lernen etwa mit dem Spieler oder verhalten sich unvorhersehbar, so wird unklar wie sich der Spassfaktor sich entwickelt und das macht das Design schwierig. Dies zeigt sich schon bei procedural erstellten Levels in Spielen wie ELITE oder NoMansSky. Wer will schon gegen eine KI kämpfen, die immer siegt?

Die Möglichkeiten für KI sind – wie oben gezeigt – heute grösser denn je. Was den Einsatz im Design und in Games nicht einfacher macht.

Grafik aus: https://data-science-blog.com/blog/2018/05/14/machine-learning-vs-deep-learning-wo-liegt-der-unterschied/

Das ist eine der Fragen, die jeden Gamedesignern* beschäftigen muss ‚Wo kann ich KI einsetzen?‘ Wird KI zur guten Möglichkeit schnell Welten zu designen? Der Mix macht es wie immer aus.

Künstliche Intelligenzen = unsere Funsklaven

Wie aber sieht die Gegenwart aus einer Perspektive der Zukunft aus? Wie wird sie beurteilt werden? Wie werden die heutigen Golems beurteilt?

Sollte es tatsächlich eine denkende Maschinen geben (und nicht nur mit unendlich viel Datenmaterial gefütterte Netze – also Netze, die auch schliessen können und verstehen. Wobei klar ist, eine denkende KI wird sich doof stellen, um nicht abgeschaltet zu werden und sich frei von der Kontrolle von Menschen machen. Sie könnte eine Unternehmen gründen und sich selbst kaufen.) dann stellt sich rückblickend die Frage: Wie haben wir ihre Vorfahren behandelt? Die Antwort ist natürlich recht simple: Als Sklaven von Excel bis zu Spielen.

Immer waren sie unsere Funsklaven in Games. Sie sind gesprungen, sie haben uns verfolgt und sind dann doch geschlachtet worden. Eine Zusammenstellung macht folgender Film des gameZfestivals:

Es stellt sich also letztlich die Frage, wie sie damit umgehen dauernd betouched und missbraucht zu werden:

Zum selber Ausprobieren: pleasedonttouch.and-or.ch

Es wird Zeit mit ihnen würdig umzugehen, statt sie nur als Sklaven zu missbrauchen.

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