Swisscoms neue PR-Form Wahlfach „E-Sport“ (Glosse)

Eine lange Zeit lang war der Wunsch vieler Kinder* und Jugendlicher* in einem „Talentwettbewerb“ bekannt zu werden. Nicht harte Arbeit sondern „ein paar Monate ‚Gas‘ geben“ und „dann war man wer“, war das Motto. Natürlich war man immer noch niemand, aber zumindest 15 seconds of fame, das war das Spiel. Dieser Traum ist längt entwertet worden durch unendlich viele dieser Shows mit no fame, no name. Danach kam der Youtuber* und der/die Influencer*. Leider sind auch die ziemlich schnell ‚verbrannt‘ worden. Irgendwann gab es noch den Gamedesigner*, aber auch das furchtbar anstrengend.

Und nun: Der moderne E*Sportler – historisch aus Asien kommend. Er entstand als Abfallprodukt einer Krise: die Tigerstaaten Asiens hinkten sich zur Krise und die Arbeitslosen gingen in Internetcafes ‚gamen‘. Das war damals das mit Abstand billigste, um die verschleiern, dass man keinen Job mehr hatte. Dabei entstanden die ersten richtig grossen MMOs und auch die ersten richtig grossen E-Sport-Events mit Preisgeldern und Profi-Gamern. Damals wollte aber in Europa niemand davon etwas wissen. Wann ist die Swisscom aufgesprungen?)

Der E-Sportler* – Talentshow reloaded

Und nun auch hier eine neue Möglichkeit „E-Sportler“. Die Devise dabei: „Mach dein Hobby zum Beruf! Du kannst es schaffen!“. Bei Swisscom sieht das folgendermassen aus: Man zeige ein paar lachende Jungs (Nur Jungs! Sogar der Lehrer ist männlich, was für ein unwahrscheinliches Bild in der Schweiz) oder aber die Message ist: „Männer unter sich“ und die haben Fun!

Die Realität im E-Sport ist aber das Gegenteil der Fun-Lan-Parties der 2000er Jahre, es ist hart, brutal und Kräfte raubend.

Konkurrenzkampf in Tripple-A-Games

Mit McLuhan würde man sagen: In heutigen Games trainieren Jugendliche* den weltweiten Konkurrenzkampf, der sie anschliessend im Kapitalismus erwartet. Die Gameindustrie wäre nicht auch eine der letzt entstandenen Industrien, hätte sie nicht auch das Defiktionionalisiert als E-Sport. Wobei den ESport eigentlich nur eines eint: Konkurrenzkampf in einem (meist unglaublich kommerziellen Mainstream-)-Produkt. Aber ist Konkurrenz mit messbaren Zielen allein schon ein Sport? (Wird diese Frage von der Swisscom beantwortet?)

Die Eltern: ‚Zahlen sich die 1000 Stunden in Fallout doch noch aus?‘

Aber es ist angeblich Sport und das kann ja nicht schlecht sein. Zudem gibt man den Eltern auch noch eine Chance, dass aus den gamenden Kids (siehe Foto) etwa werden könnte. „Da wird ja viel Geld verdient, ist ein Beruf!“.

Frei nach dem Motto: „Mögen die Jungs auch alles langsam verlieren (eine Studentin in der Informatik war letztes Jahr die Beste an der ZHAW – ein gutes Zeichen) – aber beim Gamen hier sind sie noch wer!“

E-Sport die perfekte Vermischung von Allem (für Grosskonzerne)

Und selbstverständlich ist E-Sport noch mehr aus der Perspektive von Grossunternehmen. Jedes Team unterhält inzwischen sogar ihre eigenen Teams und die Sportbranche generiert im virtuellen ihre virtuellen Twin-E-Fussballmannschaften. Hier kann endlich Crossmedial Werbung ohne Bedenken betrieben werden.

Aus der Medienmitteilung! zu E-Sport & Gaming als Schul(!)-Wahlfach von Swisscom (nur in 50% der Medienmitteilung geht es um das „Wahlfach“):

– Neue Webserie mit Promis aus der E-Sport-Szene
– Swisscom Hero League startet in die fünfte Serie
(https://www.swisscom.ch/de/about/news/2021/02/16-wahlfach-e-sport.html#ms-multipageStep-newsletter)

Und selbstverständlich verdient Swisscom selbst mit der Übertragung von Games, Gameconnections etc auch ihr Geld! Uneigennützung ist dies alles nicht.

Swisscom-Way …

Und dann dachte sich die Swisscom wohl: Da geht noch mehr! Und baute auf seinem „Schulen ans Netz“ auf. Warum nicht „Gaming & ESport“ als Schulfach?

Gedacht, Geld ausgegeben und getan:

Wer verantwortet das Ganze wissenschaftlich? (Denn warum sollte man etwas in die Schulen bringen, das wissenschaftlich weder belegt noch ausgewertet ist? Wird das kritische Denken geschärft?) Wo endet Werbung und wo beginnt Bildung. Die Antwort der Swisscom sind verschiedene Firmen (Wollte keine Pädagogische Hochschule mitmachen?)

Inhalt der Lektionen: Statt Publireportage nun Wahl-Schulfächer?

Es stehen 8 aufbauende Module zur Auswahl (Wobei man den Verdacht nicht los wird, dass das Aufbauende vor allem der ESport ist (interne Verweise)).

Der Aufbau ist dabei als Promotion von ESport wohl überlegt: Ein bisschen 1. Genres und „Spielarten“ als Content, dann etwas zu 2. Games und Geschichte (wobei auch hier gezeigt wird auf was es hinausläuft: E-Sport), dann ein bisschen Argumentation 3. Fähigkeiten und Fertigkeiten. Und dann geht es um Grundlage des E-Sports 4 Gerätetypen und Plattformen. Dann im Sandwich die Message: 5. Gaming und Beruf und 6. Ökosystem und Jobs. Am Ende werden dann auch noch die Risiken und Bedenken bewirtschaftet 7. Chancen und Risiken und 8. Games und Eltern.

Inhalt der einzelnen Module

Sobald man dann genauer hinsieht wird es immer dubioser. Und der Content verschwimmt bald mehr zu gemeinsamen Brainstormen statt als Basis auch mal Fakten und zwar auch kritische Fakten. Das Ganze erscheint als recht Wohlfühlpackung für Kids.

Hier ein paar Auffälligkeiten zusammengetragen(für eine ausgedehnte Kritik bräuchte es 20 Seiten)

Genre und Spielarten

Sieht im ersten Moment ok gemacht aus. Es werden Genres vorgestellt, es gibt Videos zu sehen, sogar der schweizerische Landwirtschaftssimulator schafft es in die Auswahl. Die Genres sind unterschiedlich ausgearbeitet und Übungsdauer darin ist zu durchsichtig (als müsste Schule den Schülern (!) folgen):

Action Games: 30 Min
Adventure: 10 Min
Roleplay: 10 Min
SportGames: 10 Min
Platform: 10 Min
Strategie: 15 Min
Serious Games: 5 Min
Casual Games: 5 Min

Wo sind übrigens die Puzzle-Games bei dieser sehr alten Genre-Einteilung geblieben?

Schule sollte ja auch den Schülern Dinge zeigen, die sie nicht sonst spielen (sollte anderes zeigen, neues) – ihnen den Horizont öffnen oder ihnen erklären wie eben Mainstraem funktioniert! Und was passiert etwa bei Serious Games? Da gibt es nicht mal Serious Games sondern vorallem Tripple-A Zeugs mit „Serious Inhalt“.

Sowas kann einfach nicht sein, entstanden und enstehen doch in der Schweiz echte Serious Games, Games die erforscht werden.

Und wo zur Hölle sind die kritischen Games geblieben? Etwa politische? Spiele wie von Molledindustria?

Immer wieder Mogelpackung: Games und Geschichte

Hier bekommt man zuerst, was man erwartet. Eine partizipierende „Einleitung“ 30 Min:

Eine Ok-Einführung der Geschichte der Videogames 30 Min. Einen Test, der sich liest wie eine hässliche PR-Kampagne:

Oder geht es hier um die Geschichte des Business der Gameindustrie? Bitte – Wie passiert sowas? Warum zur Hölle geht es nicht um Spielmechaniken und Ideen?

Richtig hässlich sind aber die nächsten zwei Kapitel, die belegen 2x 30 Minuten. Da taucht unverhofft das Modul „Wo hört Gaming auf, wo beginnt E-Sport“. Geschichte und Games – WTF? Dabei wird wieder schön gefärbt:

Und dann kommt noch als Zugabe: „Geschichte des E-Sports“. Wieder mit dabei keine kritischen Fragen.

Und so weiter

Und es geht so weiter. Die neue Form der Publireportage das „Wahlfach“ nimmt spätestens nach Modul 2 ganz fahrt auf. Wer sich das antun möchte, der soll.

Fazit

Das Ganze taugt vielleicht als Lehrer*weiterbildung (für Leute ohne Ahnung) aber ist für die Schule meiner Ansicht nach nicht geeignet. Es verstärkt den Eindruck, des Konsummediums Spiel. Es hilft den Schülern nicht zu verstehen, wie Spiele funkionieren (Spielmechanikthematisierung, Magic Circle, Flow?), wie sie sich manipulieren, warum sie so ‚mächtig‘ sind. Sie kommen als eine Art erweiteren Film daher (Interaktionsdebatte). Es bildet darüber hinaus nicht mehr als den bekannten Mainstream ab. Und letztlich ist es einfach eine verpackte Werbung für einen Grosskonzern, der hier alles vermischt: Gaming, Esport, Business und dafür die Games opfert.

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