Die Gamekultur und die Demoscene haben ja „bekanntlich“ einen gemeinsamen Urahnen oder zumindest den Mythos davon. So entstanden die ersten Demos als Crackerintros (oder als ein Muss für Trainer) für C64 etc und dann später für Atari ST und Amiga. Mehr dazu hier „ANFÄNGE DES SCHWEIZER GAME DESIGNS – TEIL II“ und TEIL III hier. Es scheint auch als hätte man die Wahl gehabt neben dem Cracken: a) aufzuhören und etwa zu studieren b) der Demoscene zu bereichern und c) Games zu machen. Aus dem damals verschwommenen Grenzen sind inzwischen zwei unterschiedliche (zumindest von aussen – auch personell?) Kulturen entstanden. Und es wird noch interessant sein, herauszufinden, wieviel der ‚Scene‘ (Eigenbeschrieb) ab Mitte der 90er noch aus der Crackerszene stammt.
GameDesign und Demoscene verbindet aber heute noch das mehrheitliche Bestehen auf in Echtzeit erstellter Grafik und teilweise Musik. Im Gamedesign ist die Echtzeit geschuldet der Interaktion und in der Demoszene ist sie Programm vermutete Idee ‚Visuell auditives Code Golfing in Anlehnung an das Code Golfen (Wobei es in der Demoscene der 80er der Schweiz auch Mischformen zwischen Demo und Game gab etwa die SwissMegaDemo 1990).
In Echtzeit erstellte Grafiken
Und so heisst der Verein, der sich um die Demoszene kümmert konsequenterweise Echtzeit – Digitale Kultur (www.echtzeitkultur.org) und dieser ist 20 Jahre alt geworden. Der Verein hat gerade auch einen Antrag (Art of Coding) auf Aufnahme der Schweizer Demoscene ins UNESCO Weltkulturerbe der lebendigen Kulturen/Traditionen beantragt. Er folgt damit den bereits erfolgreichen Aufnahmen etwa der deutschen Demoszene. Dabei kommt der Szene zu gute, dass sie selbst ihre eigene Archivierung bestens betreibt. So verfügt die Demoszene anders als die Gamescene über eine rege Eigendokumention etwa mithilfe von www.pouet.net oder demozoo.org. Dies bezieht sich allerdings vornehmlich auf die Produkte und Ergebnisse als Programme oder Videos und soweit bekannt nicht auf die Projekte, Prototypen, Code und Entstehungsprozesse. Dies beginnt erst mit freien Repositorien. Das Interessante auch hier: Es arbeiteten schon sehr früh – wie beim Gamedesign – verschiedenste Spezialisierungen (Grafik, Sound, Programmierung und teilweise Storytelling) zusammen und kreierten ein hochtechnisches Multimediales Produkt. Es waren also nicht nur die Produkte Meilensteine sondern auch ihre Entwicklung.
Verborgene Digitalisierung
Leider ist die Logik aber auch hier die, dass alles Technische verborgen wird im Produkt. Die Digitalisierung, die das Ganze möglich macht, kommt schlicht nicht vor. Kein Sourcecode, keine laufenden Prozesse, keine Grafik-, Tracker-Programme – sondern wie im Gamedesign – alles verpackt auf fantastischen Oberflächen. Hier wünschte man sich wie im Gamedesign mehr Insights, Transparenz und letztlich auch das Darstellen von Komplexität. Man bemerkt fast schon, dass auch die Demoszene wie das Gamedesign ein 80er Jahre Produkt ist. Es scheint fast so (wie im Gamedesign auch), als geniesse man bis heute den Geniekult ‚Herren‘ über die Algorithmen zu sein und um das geht es letztlich oder doch nicht?
Das Produkt und der Prozess
Für die Demoscene selbst sind die Produkte natürlich nur das Ende eines Entwicklungsprozesses. Dies ist für Ausstehende leider nicht erfahrbar bzw. wird nicht kommuniziert. Es ist eher Geheim- oder Insiderwissen. Allerdings sieht man auch auf der Webseite von Echtzeit, dass niederschwellige Kurse angeboten werden, um dies zu ändern bzw. um das Wissen zu vermitteln, wie man Demos erstellt. Das Grundproblem ist dabei allerdings nur personell angegangen. Es braucht hier wie im Gamedesign Anstrengungen, die Konstruktionen hinter den Produktionen erfahrbar zumachen und die Menschen zu ermächtigen.
20 Jahre Echtzeit Verein
Echtzeit hat wie andere Demoscene-Vereinigungen
Der Abend findet im Lichtspiel in Bern statt: Demonights.ch. Dabei ist die Umgebung fantastisch – traurig.

Es stehen nämlich alle die Apparate und die Kultur (Plakate) herum, die letztlich die Computer und damit auch die Demoscene auf dem Gewissen haben. Aber vielleicht macht das ja auch den Reiz aus. Wir stehen alle auf den Schultern von riesigen alten Apparaten. Ein im Context ebenfalls interessantes Artefakt war ein Guckkasten mit einem Film für 1 Franken und zeigte wieder auf, dass die elektronischen Arcades eine schon existierende Kultur weiterführten zuerst analog und dann digital.
Ein Abend der digitaloralen Kultur
Der Abend folgt der Aufarbeitung der letzten 20 Jahre konsequent. Von den Bünzliparties über aktuelle Demos, dem nächsten Demo-Event, ein Demo-Release, der Computer und die Digitalisierung im Filmarchiv des teilweise analogen Lichtspiels und und … und dazwischen immer wieder Pausen zum „Socialisen“.

Bünzli und Demoparties – Community
Die Bünzli-Demoparties entstehen ab Mitte der 90er Jahre (94) in Winterthur und verlagern sich anschliessend in Richtung Olten (Demodays?).
Einen Einstieg in die entstandenen Demos bietet Demozoo.org hier >

Dabei geht es nicht nur um das Erstellen von Demos sondern auch um Parties. Dies wird anhand er ‚historischen‘ Bilder klar und durch die Kommentare von Andry Joos. Es geht auch um sich Treffen und das sich Amüsieren also um Community. Dabei treten auch Bands auf und es wird getanzt. Die Technobewegung ist letztlich Teil davon und umgekehrt. Dabei scheinen die Organisatoren Wert darauf zu legen, dass es auch eine Party im klassischen Sinn ist und nicht eine allzu ernste Sache wie in Fällen in Deutschland.
Anbei ’sieht‘ man Menschen als Roboter verkleidet tanzend vor Orgelpfeifen in Winterthur, da die Veranstaltung in einem Kirchgemeindezentrum (?) vom ‚Stapel lief‘.

Auch Analogdemos gehören dazu: Demo-HellraumProjektionen mit der unhintergehbaren Wirklichkeit (Konsequenterweise war auch der Flyer als Hellraummprojektorprojektion am Anfang installiert) gespielt.
Es erstaunt deswegen auch nicht, dass der Abend auch eine Art Treffen der Szene, eine Party ist, wobei es da auch ein Gender- und Verjüngungsproblem oder besser ein Diversitätsproblem etwa mit Alter gibt. Dem wird aber auch versucht Abhilfe zu schaffen, wie wir später sehen.
Identität – Bünzli, Kühe
Das Ganze scheint mit der Kuh als Maskottchen angefangen zu haben und sich anschliessend visuell mehr Richtung zum Stier (immer noch Kuh?) entwickelt zu haben (Demodays). Auch Propeller kamen vor als Einladungsdemos vor. Und das Design entwickelte sich über die Jahre zu mehr Grafikdesign. Etwas was sich auch an den Demos etwa der 2000er ablesen lässt.


Wobei dem Autor dieses Text bis heute der Name etwas gar schweizerisch scheint. Er ist sowohl Subversiv wie auch sehr schweizerisch – gerade auch weil die Demoszene eigentlich nicht wirklich etwas mit der ländlichen Schweiz zu tun hatte. Aber vielleicht ist es auch nur ein Joke, der schlecht gealtert ist.
Aktuelle Demos
Als Nächstes folgte eine Block mit einer Zusammenstellung aktueller Demos aus der Demoscene vorgestellt von MOUNTAINBYTES. Dabei wurden Demos gezeigt vom C64, Amiga über Wonderswan (eine Konsole von Bandai 1999, die am Autoren ‚vorbeigegangen‘ ist) bis akuellsten PCs.
Hier ein paar der vorgestellten interessanteren Demos:
„420 years of Teletext“ Eine interessante Amiga-Demo, die eine fiktive Geschichte von Teletext beschreibt. Unklar blieb allerdings, ob das wirklich auf Teletext gerendert wurde (was der Autor nicht für möglich hält, aber wer weiss). Siehe dazu auch das Adventure auf Teletext WRNI > Hier wird auch einmal mehr klar, dass ein Teil des Diversitätsproblem vielleicht auch am Techno liegen könnte. Hier scheint die Game Design Szene in den letzten Jahren weitergekommen zu sein, das Musikspektrum ist weniger ‚Technoid‘.
„I adore my 64“ Ein Streifzug durch C64 Nostalgie, die gebrochen und stark angemahnt wird.
„Shine n Flow“ zeigt eindrucksvoll, was Echtzeitrendering alles kann. Das Problem beginnt dann allerdings, wenn der Zuschauer bemerkt (wie viele aktuelle PC-Demos), dass es nur um visuelle Effekte geht, die sich schnell abnutzen und ein ‚So-what‘ hinterlassen. Ein Problem dabei ist auch die Länge der Demos ohne visuelle oder narrative Story. Man vermisst geradezu den einen oder anderen Lauftext. Hier sind wir dann wieder sehr im Lichtspiel, wo es um Kino geht.
Unreal Engine in der Demoscene?
GameEngines gelten als die Betriebssysteme des GameDesigns (seit 10-15 Jahren) und sie ‚überfluten‘ mit ihrem Einfluss auch gerade den Film (neben Architektur, Medizin) massiv. In einem Demo taucht dann auch auf, dass die Demo mit Unreal gemacht ist. Unreal wie auch Unity sind letztlich Kreuzfahrtschiffe in Sachen Mindestanforderungen und scheinen so zumindest das Gegenteil von massgeschneiderten Lösungen von minimalem Aufwand für maximalen Ertrag zu sein (siehe Code Golfing). Aber vielleicht ist das auch schon wieder ein Nostalgia Gedanke, vielleicht liegt die Zukunft ja auch einfach in grossen virtuellen Engines sei es GameEngines und/oder FantasyConsoles wie Pico/Tic80. Die Demoszene arbeitet da ja bekanntlich mit Limitierung in möglichst wenigen Bytes Source Code und nicht im compillierten kleinen Exes. Oder anders gesagt, es scheint die Kategorie ‚virtuelle Hardware/VMs‘ neu zu brauchen.
Next Demoparty in der Schweiz: MountainBytes 24-26. Februar Cham
Die Organisatorin von MountainBytes stellte ebenfalls den nächsten Event des MountainBytes for:
mountainbytes.ch

Der Event hat wie üblich verschiedene Kategorien:
– PC Realtime (alles was nicht Niet- und Nagel fest ist)
– Oldskool und alternative Platformen (C64, Amiga etc.)
– Combined Graphics (Grafikwettbwerb)
– Combined Music (Musikwettbewerb)
Wie an anderen Events auch, kann man auch hier optional Remote arbeiten (für alle die nicht mehr auf 48 stündige Kontaktnächte und durchschwitze Vormittage stehen).
Fehlende Kategorie: Leider scheinen hier die Fantasy Platformen (Pico8/Tic80/Processing) noch nicht Teil des Wettwerbs zu sein oder man muss bei PC Realtime teilnehmen. Mögliche wäre sie auch bei Labdemos unterzubringen .-)
Spreadpoint – neue Demo Monochrom
Ein interessanter Punkt an diesem Abend war als Depeche von Spreadpoint auf die Bühne kam und ein neues Demo vorstellte. Er war schon früh aus der Szene (Bern & internationales Umfeld ‚ausgestiegen‘ (sicher das falsche Wort), weil er damals angefangen hat zu studieren, wie sich auf Nachfrage herausstellte. Interessanterweise scheint er auch einen Teil der Berner Szene der 80er Jahre zu repräsentieren. Vor ein paar Jahren hat er sich wieder mit ein paar alten Kollegen zusammen getan und wieder angefangen neue Sachen zu machen.

Und er releaste nun Monochrom, das neuste Werk von Spreadpoint.
Das Interessante an der Demo ist sicherlich, dass das Terrain aus reiner Music besteht und auch damit spielt und natürlich stylisch in monochrom gehalten wurde.
Das Beispiel unterstreicht auch ein bisschen die Tatsache, dass das Einbauen von Einsendungs-/Remotedemos (wie während Corona teilweise üblich) auch an Demoparties einige in die Szene oder auch zurückbringen könnte. Wer will schon nach ein paar Wochenenden verbringen in dunklen Hallen? Einige der Teilnehmer an diesem Abend sahen zu alt dafür aus.
Ein Tripp durchs Lichtspiel Archiv: Der Computer
Danach folgte eine indirekte Einbettung der Demoscene in ein den kulturellen Rahmen der 80er und 90er Jahre. Diese Kontextualisierung zeigte auch indirekt auf, was im Mainstream der Gesellschaft passierte und wie weit gerade die Homecomputer und Consolen ‚modern‘ und der Zeit voraus waren (vgl. PC Büromaschinen vs. GUI bei Macintosh, Atari ST oder Amiga). In einem Kurzfilm, einer Wochenschau, einem Trailer wurde rund um das Thema Computer von 1980 bis 2000 beleuchtet. Interessant dabei: die Wochenschau zeigte den neuen Büroalltag mit Computern und ‚vollintegrierten‘ Lösungen auch für grössere Firmen an der CEBIT. Ein Auschnitt daraus.

Dann folgte Ballet Robotique, das die Arbeit von Robotern beim Zusammenbau(?)/Malen/Sprayen eines Autos sowohl ästhetisiert wie auch mit Musik untermalt. Dabei ist heute unklarer den je, was man von diesem Film halten sollte.
Was danach passiert ist, kann der Autor leider nicht mehr thematisieren. Aber die Party wird wohl in alter Manier bis um Mitternacht weitergegangen sein.
Am Anfang des Abends wie auch am Ende (Eingang und Ausgang im Museum), war dann da noch eine Vitrine von ‚PlayBern‘ (?) zu sehen mit interessanten Artefakten.

Und näher gezoomt:

Dazu passt eigentlich auch: Wer seine Erinnerungen und sei es auch nur die kleinsten Erlebnisse der Allgmeinheit übergeben möchte, als Text oder Ton, in Bild oder Video, der kann diese hier tun mit Namen, anonym oder auch nur für die Forschung:
www.swissdigitization.ch