Besessen vom Gamer-Klischee (Ausstellung GAMES im Landesmuseum)

Die nachfolgende Kritik steht unter folgenden Prämissen: Es wird davon ausgegangen, dass die Ausstellung nicht willentlich die Erkenntnisse, Entwicklungen und Darstellungen der Gamekultur der letzten 20 Jahre rückgängig machen will. Die Ausstellung ist das Produkt eines Entwicklungsprozesses und die Ausstellung ist so in dieser Art gewollt.

Wir schreiben das Jahr 2020 – 2020! Es sind etwa 20 Jahre seit das Netz als WorldWideWeb populär in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist und etwa seit 10 Jahren spielen wir dank MobilePhones nun auch noch Spiele immer und überall. Kurz und gut, die Nerd- und Technikkultur ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen und zerstört ist die Verachtung früherer Jahre bis 2000 gegenüber Technik und Games. Selbst die Arrière-Garde diskutiert in Zürich die Digitalisierungsinitiative – Jahrzehnte zu spät. 

Und dann das Landesmuseum

Und da prangt inmitten von Zürich an einem Turm ein Plakat zu Games. Das Visuelle orientiert sich an 80er Spielen (Tetris, PacMan, Pixelritter) und man denkt: Geht es um Indiespiele?

Eigentlich ist das Landesmuseum in seinem klassizistischen Stil perfekt geeignet für die Spielkultur. Es ist nicht etwa alt, sondern recht jung – 150 Jahre. Es stand davor auch kein Schloss, keine Burg da. Es ist hingeklotzt wie ein Gamegebäude – kein Background, keine Geschichte. Perfekt eigentlich.

Der ArtBrute-Erweiterungsbau (könnte auch von einem GameDesigner sein) und tut das Seine, um das Ganze noch ‘gamiger’ und ‘trashiger’ zu machen, ganz zu schweigen von Treppen im Innern oder den Hallen, die in diversen Wolfenstein- oder Doom-Spielen vorkommen könnten. 

Spielsituationen

Aber konsequenterweise ist dann auch die Ausstellung nicht im Hangar-Flügel (Frappant die Ähnlichkeit zu diversen Montage/Lager/Flugzeughallen in Mainstreamgames) des Landesmuseums sondern in einer riesigen Halle mit Bögen. Eine gute Ausgangslage für eine kontrastreiche Inszenierung.

Die Ausstellung steht nun in dieser Halle abgeschottet wie eine Art Fremdkörper. Und dann geht es los mit Ikonografie: PacMan, Ritter, Tetris, Elemente aus Jumpman (wie Donkey Kong zuerst in Anlehnung an PacMan hiess) und einem Pixel-S. Der Text kurz und ‘mainstreamig’ paraphrasiert: Spiele sind wichtig, weil sie werden viel gespielt. Es begann an Universitäten in den 50ern.

Es handelt sich anscheinend um eine Ausstellung in der gespielt werden kann. 2020 eigentlich Standard (dafür hat man ja auch 20 Jahre lange gekämpft), selbst im biederen Mainstream Schweizer Museen bis hin zum überbordenden Play-Ansatz des Museums für Kommunikation oder einem Mix davon in der PLAY-Ausstellung im Stadtmuseum Aarau

Konzept: Geschichte – bitte nicht so linear!

Ab hier wird es nun schwieriger, da weitgehend unklar bleibt, was nun im Fokus der Ausstellung ist. Sicher ist – es ist eine Art Schlauch von gestern bis heute (VR-Spiele) mit spielbaren Spielen. Eine Auswahl – eine Auswahl, die sich nur (!) am Mainstream orientiert.  

Durchzogen wird die Ausstellung von einem Strang von (nicht laufenden) Personal-Computern (Smacky (früher Schweizer PC), IBM-PC, Macintosh, … ), dazu gibt noch mehrere interaktive Screens, die die Entwicklung der Computerspiele als positivistische Entwicklung entlang der Computerspielentwicklung erscheinen lassen. Besser, grösser, interaktiver, mehr Speicher etc. Das Spielkultur selbstverständlich nicht nur eine Entwicklung ist, die technologisch ist sondern auch in Wechselwirkung mit der Kultur entsteht, bleibt weitgehend auf der Strecke. Allein schon das erste Icon – nämlich PacMan wurde in den 80er gezielt als genderübergreifendes Spiel für die japanische Spielhalle entwickelt, in der eben auch Frauen, Kinder (bis heute) unterwegs sind! 

Sehr gewöhnungsbedürftig ist dabei auch die Einteilung der Videospielgeschichte (mittels interaktiven Tafeln) in 10- Jahresschritte. Als würde sich die Entwicklung des Videospiels an das Dezimalsystem halten. Das Ganze lässt sich nur erklären, wenn man diese Ausstellung als spielbare Ausstellung des Mainstreams sieht, in der sich nicht Entwicklungen kreuzen, Dinge verworfen werden und wieder aufgenommen werden. Das Ganze ist also all zu linear. Als Beispiel: VR (mit Brillen) taucht in Ansätzen auch schon in den 90er im Mainstream auf angefangen bei einer Brille für die Vectrex 1984 oder dem grandiosen Flop des VirtualBoy von Nintendo oder Bewegungssteuerungen schon fürs Atari 2600.

Informationsvermittlung

Überborden Ausstellungen oft an Informationen ist diese Ausstellung eine Informationswüste. Wie in einem Game steht der Ausstellungspieler da und lechzt nach Informationen, findet aber wenig bzw. mehrheitlich low-level Infos.  

 Beispiel eines Textes zur Zeit von 1990-1999.

Es gibt auch keine weiterführenden Links. Es gibt nur diese Tafeln und sonst noch ein bisschen Text beim Technik/Computerstrang. Man kann zwischen New/Immersion/Toxic/Glossar-Tabs hin- und her klicken und minimale Infos erhaschen.  Man steht in einer Ausstellung ohne Intertext trotz Interaktionsmöglichkeiten –  2020!

2020 gehörten eigentlich hier weitere Kategorien wie Gamekultur,  Wichtige Titel, (Game-)Kunst, Entwicklung in der Schweiz, Nicht Mainstream dazu. Wenn einem etwas interessieren würde, dann wären es etwa die Wechselwirkungen, die Arten von Spielen in der Schweiz – kurz die Schweizer Spielkultur und dann im Bezug zur globalen importieren Kultur. Und hier gäbe es Einiges.

Geschichte der Spielsituationen 

Zurück zum Anfang der Ausstellung. Hier beginnt nun die Ausstellung, das nicht ganz neue Konzept des ‘Setz dich in die Spielsituation des Jahres XYZ und Spiel’ einzusetzen. Es fängt an mit Pong im Wohnzimmer. An und für sich ein interessanter – wenn auch nicht mehr der neuste Ansatz – Alltagskultur. 

Nur: Statt mit einer Arcadehall/Spielsalon (was die Mainstreameinführung jenseits der Baer-Box war) beginnt es hier im Wohnzimmer. Leider lässt sich dann Pong nicht am kleinen TV-Screen (Darstellung von Infos) spielen sondern nur gebeamt. Das ist alles noch verschmerzbar.

Nur – und das geht hier überhaupt nicht – bedient sich die Ausstellung einer Inszenierung von jedem Klischee das man finden kann! Statt zu differenzieren und verschiedene Spielsituationen zu zeigen – suhlt sich die Ausstellung an der zur Schaustellung von Stereotypen. Da ist unübersehbar und zentral in der Mitte der Ausstellung: eine ‘typische’ Gamesituation der PC-Zeit. Ketchup, Cola, Pizzaschachteln etc. Das war ein Teil der Gamekultur ja, aber halt nicht die Einzige! Wer 2020 noch immer solche Stereotype verbreitet, hier wird nicht informiert sondern populärkulturelle Bilder werden zementiert. Hier wird stereotype Immersion erzeugt. Und wenn schon, dann wirklich altes Cola, wirklich schimmlige Sandwiches. Das ist bei allem Stereotyp ein zu plastikhaftes, cleanes Gestern.

Wie fahrlässig die Stereotypisierung und Clusterbildung ist, zeigt sich dass neben den GamerPCs eine Playstation (Die erste reine 3D Konsole) steht.  

Ein Absurdität: Die Playstation steht auf einem Tisch, wie wenn es ein Computer wäre. Nur handelt es sich eben um die dritte Linie (neben den Arcades und Computerspielen) der digitalen Spielkultur – die Konsolenkultur – eine ganz eigene Kultur. Die Konsolenkultur fand und findet im Wohnzimmer meist auf der Couch statt. Es wird am Fernseher gespielt (alleine die Geschichte der Anschlüsse spricht hier eine deutliche Sprache). In diesem Sinn werden hier Spielekulturen zusammengebracht und Spielsituationen konstruiert, die es so nicht im Mainstream gab nur die extreme Ausnahme waren. 

Ähnlich verhält es sich auch mit der Mini-Arcade als zweite Station: Statt der Simulation von verrauchtem abgedunkeltem Raum (der Realität der Schweizer-Spielsalons) mit Tschüttelikasten und der älteren Tradition der Flipper und elektromechanischen Automaten findet man hier einen recht cleanen ‘Raum’ mit nur einem SpaceInvaders-2-Orginalkasten (CRT-Bildschirm). Der Rest sind LED-Arcades, die natürlich überhaupt nicht adäquat die Spielsituation wiedergeben. Vergessen sind die flackernden Screens und verwaschenen Pixels (Pixel waren früher meistens Verwaschen). Besonders frappant ist es, wenn man noch Vector-Games ausstellt, auf denen das Bild im Orginal gezeichnet wurde, gestochen scharf für diese Zeit.

Wer eine Spielhalle erleben will (wenn auch ohne die Dunkelheit und den Mief von Spielhallen wie dem Frosch in Zürich), so findet man dies hier: Outlane.ch

Gamegeschichte als Computerspielgeschichte

Das einzig eigentlich interessante Game aus dieser Zeit – weil es postmoderner nicht sein kann, es kennt keinen Avatar – ist in einem Leuchtkasten eingesperrt – TennisForTwo 1958. 

Es wäre als Nachbau ausleihbar gewesen in D oder die im Museum für Kommunikation in Bern hätte einen ‘Nachbau’ davon. Hier gäbe auch es einen ganzen Komplex rund um das Spiel, denn es war in der Auseinandersetzung von Baer Box vs Pong ein wichtiges Argument.

Technische Entwicklung: Ausgestellte Computer und Leuchtkästen

Ein digitaler Leuchtkasten weist noch auf die Entwicklung von Integrierten Schaltungen (ICs) und dem Aufkommen von Videospielen hin, was leider im ersten Fall von Pong nicht hilft, denn gerade Pong war eben keine integrierte Schaltung. Aber sei es drum. Der Fact, dass die Arcade-Games durch den Einsatz von Microprozessoren zu einer neuen Dimension von Komplexität aufsteigen, kann man so aufnehmen. Wenn auch hier wieder völlig verdrängt wird, dass Sega und Nintedo schon viel länger Arcades gebaut haben – Elektromechanische. Siehe hier > 

Spielen am Arbeitsgerät: PC – Personal Computer

Der Personalcomputer von IBM ist eigentlich der letzte in einer langen Reihe von Personal Computern meist als Businessmaschinen entwickelt. Und darum teuer und eher unwichtig im Bereich der Computergames. Eher populärer ist der APPLE II – gerade auch was Spiele Releases betrifft. 

Der PC spielt bis weit über die 90er Jahre keine Rolle (bis die nachrüstbaren 3D Grafikkarten kamen). Im Computerbereich spielte die Show auf den Heimcomputern wie C64, Z80, Sinclairs mit ihren besseren Auflösungen, besserem Sound. Also Computer die günstig zu haben waren und eine der ersten Demokratisierungswellen waren für ‘wenig’ Geld. 

Macintosh – neues Interface neue Spielmechaniken

Interessanterweise hat der Macintosh (der ebenfalls teuer war) wirklich auch Geschichte geschrieben, aber nicht wegen seinem ersten integrierten Bildschirm (LISA hatte das auch) sondern weil sein Interface mit der Maus die Welt revolutioniert hat. Ganz neue Genres entstanden etwa PointAndClick Adventures und Spiele, die mit der Maus gesteuert wurden. 

Zusatz: Schweizer Bezug: Wirth von der ETH entwickelte die Objektorientierte Variante von Pascal in der viel Software für den Mac entwickelt wurde.  Hier kommt auch hinzu, warum diese Ausstellung mehr sein sollte als das Niederbeten des Informationsmainstreams.  

Der Macinthosh war aber wichtig für die Entwicklung der Heimcomputerszene vor allem des ATARI ST und des Amigas (und des Archimedes), war er sowas wie ein Leitbild mit Maus und Tastatur. 

Hier war eine junge globale Community unterwegs neue Spiele und Spielkonzepte zu entwickeln angelehnt an das neue Maus Interfaces.

Blüte der Homecomputer 

Von was die Ausstellung nicht erzählt: Auf den Homecomputern dieser Zeit (meist ausgestattet mit dem programmierfreundlichen Assembler des 68000) entstehen Meilensteine der Computerspielgeschichte. Hier entstehen ausgefeilte Aufbaustrategiespiele (Populus), das Genre der Godgames (Populus), Echtzeit-Rollenspiele mit cleveren AI-Gegnern (Dungeon Master), Adaptive Spielmechaniken (GODS), Autorennen über ein Nullmodem, das Genre der Point and Click Adventures oder das erste LAN Spiel mit Multiplayer über MIDI Mizimaze (Erfindung des Last Man standing) etc.

Schweizer Spiele (1985-1996) – Wieder Verdrängt

Aber noch viel verheerender an der Aufstellung von Technologie und Computerspiel ist das systematische Auslassen und Wegblenden der Entwicklung von Schweizer Spielen. Statt zu integrieren, dass die Schweiz sehr wohl Teil der Entwicklung war, wird der Eindruck vermittelt, dass die Schweiz nicht involviert war. Dabei entstanden neben dem ersten (Bootsektor-)Virus für den Amiga auch diverse Spiele für Atari ST und vorallem Amiga. Immerhin über 25 publizierte Spiele entstanden. 

Die Geschichte ist natürlich noch älter, so entstanden auch erste Spiele für den Smacky – einen Schweizer PC. Es waren natürlich keine Mainstreamspiele, die weiter tradiert wurden, aber letztlich gehört zu Geschichtsschreibung eben auch dies: Komplexitität oder zumindest die Andeutung von Komplexität

Eine List der Schweizer Spiele findet man hier. 

NEXT

Und dann steht da eine NEXT. Unvermittelt. (Warum steht hier eine NExT ohne Monitor? )

Natürlich entstand auf der NEXT das Web und zwar in Genf! Und erst das ermöglichte die Entwicklung neuer Spieltypen/Spielmechaniken wie Webgames oder Facebookgames. 

Aber wichtiger in einer solchen Ausstellung: Es entstand auch DOOM auf der NEXT. Einem der Meilensteine der Durchsetzung des 3D Paradigmas mit Wand-Texturen (Selbstverständlich gibt es schon ältere 3D Games – etwa BattleTank).

Explosion und Wiederfinden von Konzepten

Spielkonzepte waren immer da, wurden aufgegeben verworfen wieder aufgenommen. Die vorliegende Darstellung wird diesem Prozess von Entwicklung in keiner Art gerecht, sondern zeigt Entwicklung als eine Art aufrollen anhand der Technik. Das Ganze ist eine recht simple Art die Entwicklung der Games zu beschreiben.

Zusammenfassung

Dem Autor ist sich durchaus bewusst, wie komplex es ist eine Ausstellung zu entwerfen, ein Publikum zu finden und mit wenig Platz umzugehen und dies aus eigener Erfahrung Ausstellungen zu machen. Dies darf aber keinesfalls zur Trivialisierung des Themas führen, wie dies in der vorliegenden Ausstellung passiert ist. Eine Ausstellung, die das Thema nicht öffnet sondern schliesst und vereinfacht.

Die Ausstellung verknüpft die Entwicklung der Spielkultur nur auf die technischen Entwicklung, eine massive Vereinfachung, denn viele Entwicklungen sind auch kulturell gebunden wie etwa Entwicklung der japanischen Games, die eben nicht nur mit Technik sondern auch mit der japanischen Art Games zu machen etwa mit der Technik des Mukokuseki zu tun haben.

Das grösste Manko der Ausstellung ist und bleibt aber, dass die Ausstellung hinlänglich bekannte Cliches bedient und diese nicht bricht oder eine andere zusätzliche Aspekte aufzeigt wie Gamekultur, Gamekunst/Artgames und all die heute artverwandten Gebiete. Es verstärkt den Eindruck, dass es sich bei Games um eine abgeschlossene Kultur ohne Berührungspunkte handelt, was heute wie damals so einfach nicht ist bzw. war.

Dieser Eindruck wird verstärkt, da nur ein marginaler Bezug zur Schweiz besteht – was gerade im Bereich Games so nicht stimmt. So mischt etwa der Landwirtschaftsimulator in dieser ausschliesslich ausgestellten Mainstreamkultur voll mit als eine Art stetiger Irritationspunkt, aber fehlt wie alle anderen Produkte des Schweizer Gameschaffens vollends.

Dieser Beitrag wurde unter Uncategorized veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.