Sind Games Kunst?

„Was ist Kunst?“ ist allgemein eine alte Frage, die immer abhängig vom jeweiligen System diskutiert wurde und wird. Nun ist sie bei der Frage der elektronischen Spiele (kurz Games) angekommen – nicht zu letzt, weil diverse Wirschaftsförderungen und Kulturinstutionen auf den Zug aufgesprungen sind und Games kulturell aufgewertet haben (eine unter vielen die ProHelvetia). Dabei geht es nicht um die unbestrittene Frage, ob Games ein kulturelles Gut sind, sondern „Kunst“. Die Debatte um „Kunst oder nicht“ wurde in der letzten Monaten wieder vermehrt geführt, da anlässlich der GDC  Games als Kitsch bezeichnet wurden. Dabei wird nicht über die Kunstform GameArt/ArtGames oder Medienkunst gestritten, sondern um den Mainstream bzw. die Indieszene. Dabei geht es natürlich nicht nur um die Bezeichnung allein, sondern auch um die Folgen einer solchen Definition wie kulturellen Schutz (wieviel Gewalt darf es sein, Altersfreigabe etwa in Deutschland) oder etwa um Förderungswürdigkeit.
Spiele als komplexe Systeme
Spiele sind bekanntermassen komplexe Systeme aus verschiedenen Teilen wie Story, Grafik, Sound und Gamemechanik. In der Debatte um Spiele als Kunstform wird denn auch immer selektiv wahrgenommen und nur einzelne Aspekte beleuchtet. Das häufigste Opfer dieser „Teile und regiere!“-Strategie ist die Grafik. Alles was nicht gerade nach Game-Mainstream ausschaut wird zur Kunst, nur weil es im grafischen Universum der Spiele (Spiele der Gesellschaft) zum ersten Mal auftritt oder dort wahrgenommen wird. (Des öfteren werden auch ältere Stile aus der Geschichte der Computergrafik wieder als „neu“ verkauft). In dieser Argumentationslinie kommen dann nicht ganz unvererwartet diverse Indiespiele ins Gespräch.  Dabei kommt dieser Interpretation von Games als Kunstform natürlich auch entgegen, dass im visuellen Bereich Konzeptzeichnungen, Szenografie und 3D-Modelle ineinanderlaufen. Der Designprozess ist handwerklich wie auch visuell Nahe bei den bildenden Künsten wie Bildhauerei oder Malerei. Ein Teil der Personen in diesem Bereich stammt denn auch eher aus den Kunstabteilungen der Universitäten als den Designabteilungen.Trotz diesen Ähnlichkeiten müssen Spiele nicht in den Einzeldisziplinen (wo sie es in den meisten Fällen in keine Kunstkategorie schaffen) sondern im Gesamtkomplex bewertet werden.

Games, das Medium, das alle anderen Medien aufnimmt und kontrolliert
Ein weiterer vielversprechender Ansatz ist die Idee, dass Games der grösstmögliche Mediencontainer seien: Games sind das Medium, das verschiedene  Medien wie Grafik, Sound vereint und diese Inhalte steuert. Aus dieser Perspektive wird das Spiel zum Hypermedium – selbstverständlich begrenzt auf die digitale Welt. Aber auch diese Idee greift zu kurz, denn Multimedialität macht noch nichts zwangsläufig zu Kunst. Hier wird eher klar: ein Medium selbst kann keine Kunst sein (oder man definiert Kunst als Medium, das in Games seine Realisierung erfahren hat). Aber auch dies eine seltsame Herangehensweise.

Settings und Gamemechanik
Was Games ausmacht und letztlich zusammenhält ist – weder Grafik noch Sound – sondern die Komplexität von Ein- und Ausgabe gekoppelt an einen Gamemechanismus. Der Gamemechanismus hält die Spiele zusammen und motiviert den Spieler. Die meisten der vorhanden Gameschematas in Games sind aber alles andere als besonders „Kunst“ befrachtet. Es handelt sich bei den meisten Mechanismen um simple Mechanismen von Kleinstaufgaben,die zu grösseren Jobs zusammengefasst werden (Mikro- und Makromechanik) und den Spieler bei der Stange halten (Siehe dazu Warum FirstPersonShooter alias Killerspiele Spass machen (eine Erklärung auch für Nicht-Spieler)). Bei Egoshootern etwa heisst das Konzept simpel: Überlebe! Dabei steht man mit dem Rücken zur Wand. Eine Auseinandersetzung mit der Gesellschaft könnte entstehen, wenn die Settings etwas mit der Realität zu tun hätten, die Welt verzerren würden, aber auch hier: Fehlanzeige (Die „realistischen“ Kriegsszenarien dienen allein der Unterhaltung und nicht einer Auseinandersetzung). Die Settings sind meist eskapistisch sei es im ScienceFiction, in Fantasy oder auf Kriegsschauplätzen. (Mehr dazu hier: Immer dieselben Spiele und Spielkonzepte – kulturelle Aktualisierung der Spielschematas > ). Dabei liegt es im Konzept vonSpielen, dass sie die Spieler an sich binden und in ihrer Fiktion „gefangen“ sind (Magic Circle). Games werden auf diese Aspekte hin designed und entwickelt. Es gibt immer eine Zielgruppe, die letztlich das designte Spiel kaufen sollen.

Games als Verherrlicher der Kultur – Monopoly ein Kunstwerk ?
P.M.Ong ging auf der Spielekultur.de-Mailling-Liste sogar noch einen Schritt weiter, indem er konstantierte, dass die meisten Games die aktuellsten Philosophien unserer Gesellschaft seien. Sie würden letztlich meist nur eine vereinfachte reale Welt bieten, in der die Gesetzte der Realität dargestellt und selbst erfahrbar gelernt könnten. Man spiele, was die Gesellschaft sowieso von den Bürgern möchte: Aufbau, Leistung, Konkurrenz, Weiterkommen. Nur mache es in diesem Fall Spass. In dieser Sicht sind diese „Bürgergames“ geradezu das Gegenteil von Kunst als einem Nachdenken oder Reflektieren über die Gesellschafts. Games sind hier nichts mehr als die Verherrlicher unserer Kultur. Im ersten Moment tönt dies gar abwegig, schaut man sich aber das Spiel Brettspiel „Monopoly“ (es könnte auch jedes andere sein) an, wird schnell klar: Dieses Regelwerk läuft darauf heraus zu gewinnen als Einziger, dazu muss man die anderen dazu bringen möglichst oft bei einem zu übernachten. Die meisten Regelwerke laufen auf klassische bürgerliche Tugenden hinaus. Im Fall von Monopoly sind wir uns der Krassheit des Handelns im Spiel nicht mal bewusst. Ähnliches steckt letztlich auch hinter allen so schön gemachten elektronischen Spielen. Fast keine Spiele arbeiten antifortschrittlich oder gar subversiv. Selbst in umstrittenen Spielen wie Doom3 geht es ums besser werden, die Menscheit weiterbringen. Hier geht es nicht um ein Nachdenken über die Welt, ein Versinken in sich oder gar ein Ausdruck von sich selbst. Dabei ist der Gamemechanismus die Regeln schön“ versteckt hinter 3D-Grafik. Überlebender sein im Kampf gegen all die anderen steht auch hier im Vordergrund. Was könnte unprosaischer ein Modell für unsere Kultur sein. Nur künstlerisch hat sich nie jemals dahin gesetzt und das so beabsichtigt. Kunst liegt hier maximal im Auge des Betrachters und minimal ist es keine Kunst.

Games stehen auf dem Altar unserer Gesellschaft wie einst im Mittelalter
Games als Kunst ist eigentlich die Frage, die sich Wissenschaftler schon lange stellen: „Gab es im Mittelalter überhaupt Kunst?“ In diesem System arbeitete jeder eigentlich nur für eines: Gott wurde gehuldigt. Im Fall der meisten unserer Spiele ist es nicht anders: Diese Spiele huldigen der Gesellschaft und damit dem westlichen System, sie wollen eigentlich nur „verkauft“ werden. Dies ist weder moralisch noch unmoralisch, aber eben nicht unbedingt Kunst. Möchte man sich tatsächlich mit Kunst in Games oder Games als Kunst auseinandersetzen, so sollte man sich die GameArt/ArtGames-Szene ansehen. Mit Games als Kultur wird man dem Phänomen Games gerechter,  statt dauernd so zu tun, als seien die versteckten Propagandainstrumente unserer Gesellschaft Kunst.

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